Bei Missachtung von Vergaberecht hat der Bieter auch bei nationalen Vergaben Schadenersatzansprüche

Im Rahmen meiner Beratungstätigkeit höre ich bei öffentlichen Auftraggebern immer mal wieder die Auffassung, dass der Bieter bei unterschwelligen Vergaben keinen Rechtsschutz genieße.

Das stimmt so nicht. Richtig ist, dass der Bieter bei nationalen Vergaben nach dem heutigen Vergaberecht keinen Anspruch auf gerichtliche Nachprüfung besitzt. Gleichwohl kann er gegenüber der ausschreibenden Stelle ggf. Schadenersatzansprüche geltend machen. Hierfür trägt er allerdings das Beweisrisiko. Dass die Gerichte durchaus pro Bieter urteilen, zeigt eine Entscheidung des OLG Saarbrücken (Urteil vom 15.06.2016, Az. 1 U 151/15). In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hat die ausschreibende Stelle dem erstplatzierten Bieter den Zuschlag erteilt, obwohl ihr vor dem Zuschlag bekannt wurde, dass das Angebot dieses Bieters nicht die komplette ausgeschriebene Leistung enthielt. Vom Zuschlag erfuhr die Klägerin erst nach Abschluss des Verfahrens. Gegen diese Entscheidung klagte die Zweitplazierte und obsiegte. Die dagegen eingelegte Berufung der ausschreibenden Stelle, mit dem Hinweis, dass die Klägerin keinen vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch nahm, wurde als unbegründet abgewiesen.

„Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2 BGB.“ Dies begründet das OLG damit, dass die Vergabestelle es pflichtwidrig unterließ, das fehlerhafte Angebot des Erstplatzierten aus dem Verfahren auszuschließen. Stattdessen wurde diesem Angebot der Zuschlag erteilt. Insofern ist es auch unerheblich, ob die Klägerin einstweiligen Rechtsschutz in Anspruch nimmt oder nicht. “Damit stellt die Zuschlagserteilung eine Pflichtverletzung dar. Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt. […] Infolge der Durchführung eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge entsteht ein Schuldverhältnis im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen, § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Hiernach kann dem Bieter – auch im vorliegenden Unterschwellenbereich bei Zugrundelegung der Regelungen der VOB/A – gegen den Auftraggeber ein Schadenersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2, 3 BGB zustehen, wenn dieser durch Missachtung von Vergabevorschriften seine Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Bieters schuldhaft verletzt und dem durch diese Vorschriften geschützten Unternehmen hierdurch Schaden zugefügt hat. […]“

Fazit: Auch wenn bei nationalen Vergaben eine gerichtliche Nachprüfung eines Vergabeverfahrens nicht vorgesehen ist, so sind die Bieter nicht rechtlos. Sie haben auch bei nationalen Vergaben einen Anspruch darauf, dass ein rechtskonformes Vergabeverfahren unter Beachtung der Vergabegrundsätze durchgeführt wird. Missachtet die ausschreibende Stelle die Vergabevorschriften, sollte der Bieter dies rügen. Werden dadurch die Interessen der Bieter schuldhaft verletzt, so kann die ausschreibende Stelle schadenersatzpflichtig gemacht werden.

Robby Semmling, der Autor des Blogs, ist Rechtsanwalt und seit mehreren Jahren spezialisiert auf Themen rund um Vergabeverfahren. An dieser Stelle bloggt er regelmäßig zu Problemstellungen aus seinem Arbeitsalltag.