Produktspezifische Ausschreibung – was ist zu beachten?

Das Vergaberecht schließt eine produktspezifische Ausschreibung generell nicht aus. Allerdings sind an eine produktspezifische Ausschreibung hohe Anforderungen gestellt, die es zu beachten gilt.

Unter diesem Aspekt ist die Entscheidung der VK Baden-Württemberg (Beschluss vom 04.05.2016, Az. 1 VK 18/16) in vielerlei Hinsicht interessant, auch wenn es sich um eine Vergabe nach VOB handelt. Die Aussagen der Entscheidung lassen sich problemlos auch auf die Beschaffung von Leistungen und Dienstleistungen übertragen. Die ausschreibende Stelle hat Teilleistungen innerhalb der Vergabe zum Zwecke der Vereinheitlichung produktspezifisch ausgeschrieben, ohne deren (objektive) Notwendigkeit in den Vergabeunterlagen darzulegen. Die hierzu eingegangene Rüge kurz vor der Submission veranlasste die ausschreibende Stelle nicht, den Submissionstermin aufzuheben und zu verschieben bzw. die Rüge unverzüglich zu bearbeiten. Im Nachprüfungsverfahren erklärte die ausschreibende Stelle, dass der Antragsteller nicht antragsbefugt sei, da er kein Angebot abgegeben habe.

Der Antrag auf Nachprüfung war erfolgreich. Die Kammer führt aus, dass zwischen Abforderung der Unterlagen und der Rüge 5 Tage vergangen sind, so dass (unter Beachtung des jetzt geltenden Vergaberechts) die Unverzüglichkeitsfrist von 10 Tagen ab Kenntnis gewahrt wurde. Weiter führt die Kammer aus: Die „… vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit sind nur dann eingehalten, sofern die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist, vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen wurde, solche Gründe tatsächlich vorhanden sind und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert (VK Bund, Beschluss vom 09.02.2016, VK 1-130/15). Dies hat die ausschreibende Stelle weder in den Vergabeunterlagen noch in der Vergabeakte zur Überzeugung der VK getan.[…] Es ist ein Gebot der Transparenz des Vergabeverfahrens gem. § 97 Abs. 1 GWB, dass der öffentliche Auftraggeber den Gang und die wesentlichen Entscheidungen des Vergabeverfahrens in den Vergabeakten dokumentiert. Die Dokumentation dient dem Ziel, die Entscheidungen der Vergabestelle transparent und sowohl für die Nachprüfungsinstanzen als auch für die Bieter überprüfbar zu machen. […]“

Fazit: Die ausschreibende Stelle muss in der Vergabeakte schlüssig und nachvollziehbar die objektiven Gründe der produktspezifischen Ausschreibung darlegen. Zur Vermeidung von Rügen empfiehlt es sich, die Grunde hierfür auch in den Verfahrensbedingungen für die Bieter zu benennen, so dass diese die Gründe nachvollziehen können und ggf. von einer Rüge absehen. Bieter und ausschreibende Stelle müssen auf die Unverzüglichkeit einer Rüge (10 Tage nach Kenntnis) achten: Als ausschreibende Stelle sollten Sie den Download der Dokumente für die Fristprüfung protokollieren und Bieter sollten sich nach dem Download die Unterlagen unverzüglich ansehen, um nicht ihre Rechte zu gefährden.

Robby Semmling, der Autor des Blogs, ist Rechtsanwalt und seit mehreren Jahren spezialisiert auf Themen rund um Vergabeverfahren. An dieser Stelle bloggt er regelmäßig zu Problemstellungen aus seinem Arbeitsalltag.