Die elektronische Angebotsabgabe: Textform oder elektronische Signatur?

Seit der Einführung der elektronischen Vergabe ergeben sich für die Vergabestellen viele offenen Fragen rund um die Anforderungen an die Abgabe der Angebote in elektronischer Form: Darf die fortgeschrittene oder qualifizierte elektronische Signatur verlangt werden? Wie sieht ein Angebot in Textform aus? Wer unterschreibt das Angebot?

Der nachfolgende Beitrag befasst sich mit rechtlichen Grundlagen und der Frage, welche Angaben von der Vergabestelle verlangt werden dürfen.

Rechtliche Grundlage im Oberschwellenbereich

Im Oberschwellenbereich ist die Signatur nur in Ausnahmefällen vorgesehen. Soweit die zu übermittelnden Daten erhöhte Anforderungen an die Sicherheit stellen, kann der öffentliche Auftraggeber verlangen, im gesamten Einreichungsverfahren, d.h. nicht nur für Angebote, sondern auch für Interessensbekundungen, Interessenbestätigungen und Teilnahmeanträge, eine elektronische Signatur zu fordern (§ 53 Abs. 3 VgV). Die Fälle für ein höheres Sicherheitsniveau werden vom Verordnungsgeber in der Begründung zu § 53 Abs. 3 VgV differenziert dargestellt. So dürfte zum Beispiel eine einfache E-Mail, mit der sich ein Unternehmen nach der Postanschrift des Auftraggebers erkundigt, ein geringeres Sicherheitsniveau aufweisen als die Abgabe eines Angebots. Ein niedriges Sicherheitsniveau ist auch bei der Einreichung von Angeboten im Rahmen von Kleinstwettbewerben bei einer Rahmenvereinbarung oder beim Abruf von Vergabeunterlagen zu gewährleisten. Die Festlegung des Sicherheitsniveaus muss dabei einzelfallbezogen unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes geprüft werden.

Rechtliche Grundlage bei nationalen Vergaben

Die in noch wenigen Bundesländern anzuwendende VOL/A gibt vor, dass elektronische Angebote signiert sein müssen und verweist dabei auf das Signaturgesetz (SigG). Dieses Gesetz ist jedoch am 29.07.2017 außer Kraft getreten und wurde durch das Vertrauensdienstgesetz (VDG) abgelöst, sodass der Verweis ins Leere geht. Die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) schreibt in § 38 Abs. 6 vor, dass der Auftraggeber die elektronische Signatur verlangen kann und stellt die gleichen Anforderungen an die Verwendung wie VgV. Nach § 38 Abs. 6 UVgO muss der Auftraggeber prüfen, ob zu übermittelnde Daten erhöhte Anforderungen an die Sicherheit stellen. Diese Anforderungen müssen auch im Geltungsbereich der VOL/A anwendbar sein, denn es würde im Widerspruch stehen, hier strengere Anforderungen zu fordern.

Einreichung von Angeboten in Textform

Die Textform nach § 126 b BGB ist im Vergaberecht neu. Mit ihr sollte den Bietern ein einfacher Einstieg in die E-Vergabe geschaffen werden. D.h. elektronische Angebote müssen nicht signiert werden, sondern nur den Namen des einreichenden Unternehmens sowie den Namen des Erklärenden enthalten. Im Oberschwellenbereich ist die Textform an einigen Stellen erwähnt. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang § 53 Abs. 1 VgV, wonach die Angebote in Textform einzureichen sind. Damit hat sich der alte Zwang zur Verwendung der elektronischen Signatur erledigt. Wie oben bereits ausgeführt, darf die Verwendung der elektronischen Signatur nur in begründeten Ausnahmefällen vorgeschrieben werden.

Zulässigkeit der Textform im Unterschwellenbereich

Auch bei nationalen Vergaben ist die Verwendung der Textform zulässig (vgl. § 38 Abs. 1 UVgO, § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A 2016). Für Liefer- und Dienstleistungen nach VOL/A ist die Textform noch nicht vorgesehen. Der öffentliche Auftraggeber kann aber über die Brücke des Haushaltsrechts (§ 55 BHO/LHO) der Textform Verwendung finden. Es wäre schließlich unzweckmäßig bei Vergaben nach VOL/A noch strengere Vorschriften anzuwenden als bei UVgO und VOB/A.

Fazit

Auftraggeber, die immer noch auf der grundsätzlichen Verwendung der elektronischen Signatur bestehen, machen sich, insbesondere bei Vergaben in Oberschwellenbereich, angreifbar. Das Verlangen nach einer elektronischen Signatur stellt eine Wettbewerbsbeschränkung dar, weil die elektronische Signatur für viele Bieter unzumutbar ist und die Beteiligung am Vergabeverfahren unmöglich macht. Die Verwendung einer elektronischen Signatur muss das Ergebnis einer einzelfallbezogenen Verhältnismäßigkeitsprüfung sein und begründet werden.