Ist es nur eine Bieterfrage oder schon eine Rüge?

Ueberschrift

Die Frage, ob es sich um eine Bieterfrage, oder eine Rüge handelt ist von großer Bedeutung, im Vergabeverfahren, weil diese Unterscheidung verschiedene Rechtsfolgen nach sich zieht.

Bei der Bieterfrage wendet sich der Bieter mit einer Frage, welche das Vergabeverfahren betrifft an den Auftraggeber und bittet um die Klärung dieser. Typisch betreffen Bieterfragen reine Verständnisfragen, z.B. Fragen bei dem Ausfüllen von Formblättern oder auch Unklarheiten in der Leistungsbeschreibung. Auf die Bieterfrage kann der Auftraggeber antworten und somit die Unklarheiten aus dem Weg räumen. Eine Bieterfrage kann jedoch eine Rüge nach sich ziehen, wenn diese ungenügend beantwortet wird oder Fehler aufweist. Genaueres zum Thema Bieterfrage wurde bereits am 23.10.2023 in unserem Newsletter zum Thema „Bieterfragen – stellen oder nicht?“ veröffentlicht.

Bei der Rüge hat der Bieter hingegen einen spezifischen Vergaberechtsverstoß identifiziert. Hierbei muss er die 10 Tages-Frist gem. § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB beachten. Wenn er den Verstoß erkennt und ihn nicht innerhalb dieser Zeit bei dem Auftraggeber rügt, so ist er mit der Geltendmachung dieses Verstoßes präkludiert. Das bedeutet, dass der Bieter sich nach Ablauf der Frist nicht mehr auf diesen Verstoß berufen darf und dies somit zu keinem Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer führen kann. Der Antrag seinerseits wäre verfristet und unzulässig.

Grund für eine Rüge im Stadium der Angebotsabgabe kann u.a. die Ansicht sein, dass kein Angebot abgegeben werden kann, weil der Bieter dies als „unzumutbar“ bewertet, aufgrund von Fehlern in den Vergabeunterlagen.

Die Rüge kann schriftlich, mündlich, telefonisch oder per Mail formlos eingereicht werden. Per Telefax ist die Einreichung der Rüge ebenfalls möglich, hierbei ist jedoch laut der Vergabekammer Rheinland (Az.: VK 28/24 vom 23.07.2024) noch eine Unterschrift erforderlich.

Aktuelle Rechtsprechung

In manchen Fällen versteckt sich hinter einer Bieterfrage bereits eine Rüge. Hierzu hat die Vergabekammer Bund am 08.05.2024 ein aktuelles Urteil gefällt.

Leitsätze der Vergabekammer Bund (Az.: VK 2-35/24 vom 08.05.2024):

1. Eine reine Bieterfrage, wie etwa eine Verständnisfrage, stellt keine Rüge dar. Eine Rügenotwendigkeit wird im Regelfall erst ausgelöst durch die Antwort des Auftraggebers auf die Frage. Abzustellen ist jedoch stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalls.

2. Hat der Bieter die Vorgaben der Ausschreibung vollständig verstanden, akzeptiert er diese Vorgaben aber inhaltlich nicht und weist in Gestalt einer Frage auf die seines Erachtens damit verbundenen Probleme hin, verlangt er ganz konkret eine Abänderung, so dass eine Rüge vorliegt.

3. Eine Rüge in Gestalt einer Bieterfrage setzt die Frist nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB in Gang.

Ergebnis des Urteils

Eine Bieterfrage ist zunächst einmal eine Verständnisfrage. Es kann sich jedoch aus der Antwort des Auftraggebers eventuell eine Rügeobliegenheit ergeben.

Das heißt, wenn sich aus der Bieterfrage ergibt, dass der Bieter die Vergabeunterlagen vollständig verstanden hat, diese aber nicht akzeptiert. Er weist seiner Ansicht nach auf vorhandene Probleme in der Ausschreibung hin und verlangt die Abänderung dieser. Nun würde der Fall eintreten, dass die Bieterfrage zugleich eine Rüge darstellt.

Mindestens erforderlich für eine Rüge ist also eine konkrete und deutliche Beanstandung. Hierbei bringt der Bieter zum Ausdruck, dass er der Vergabestelle eine letzte Chance zur Korrektur gibt, bevor er den Rechtsweg zur Vergabekammer beschreitet (vgl. z. B. OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.02.2005 – Verg W 11/04, VPRRS 2005, 0591). Erforderlich ist also zumindest, dass eine Korrektur ausdrücklich und mit abschließender Unbedingtheit eingefordert wird.

Wird diese Rüge zurückgewiesen, bzw. die Beantwortung der Frage abgelehnt, beginnt die Frist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB zu laufen. Bleibt der Bieter während dieser Frist untätig, z.B. weil er nicht erkannt hat, dass seine Frage eine Rüge darstellt oder weil er sich zunächst Erfolg von einem Angebot verspricht, so ist er mit dem Einwand später präkludiert.

Dieser Beitrag wurde von Sophie Möller (Vergabeberaterin) erstellt.

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