Die Rolle von SIEM-Systemen (Security Information and Event Management) und Security Operations Centern (SOCs) hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Angesichts wachsender Bedrohungslagen, immer komplexerer IT-Infrastrukturen und wachsender regulatorischer Anforderungen ist die klassische Log-Analyse längst nicht mehr ausreichend. Moderne SIEM & SOC-Implementierungen stehen heute vor ganz neuen Herausforderungen – und bieten gleichzeitig spannende Möglichkeiten durch Automatisierung, KI und Cloud-Technologien.
Im Folgenden werden die primären Herausforderungen sowie die Trends und neuen Entwicklungen betrachtet. Abgerundet wird dieser Beitrag mit konkreten Empfehlungen. Ziel dieses Beitrags ist es, Ihnen einen Einstieg in dieses spannende und vor allem relevante Thema zu ermöglichen.
Ein kurzer Exkurs: Was ist ein SIEM und was ein SOC?
SOC ist die zentrale Einheit in einem Unternehmen, die für die Überwachung, Erkennung, Analyse und Reaktion auf Sicherheitsvorfälle zuständig ist. Es besteht aus Menschen, Prozessen und Technologien, die rund um die Uhr Bedrohungen identifizieren und abwehren.
SIEM ist die technische Plattform, die sicherheitsrelevante Daten (z. B. Logs, Events, Alarme) aus verschiedenen Systemen sammelt, korreliert, analysiert und visualisiert. Es bildet die technische Grundlage für die Arbeit im SOC.
Zusammenwirken:
Das SIEM ist das zentrale Analysewerkzeug im SOC. Es liefert den Analysten im SOC die Informationen, um Angriffe frühzeitig zu erkennen und angemessen zu reagieren. Ohne SIEM fehlt dem SOC die nötige Datentiefe, ohne SOC bleibt das SIEM ein reines Monitoring-Tool ohne Handlungskompetenz.
Mit welchen Herausforderungen sehen sich SIEM & SOC-Umgebungen heute vor allem konfrontiert?
Datenvolumen & Signal-to-Noise-Ratio
Mit der steigenden Anzahl an Endpunkten, Cloud-Diensten, IoT-Geräten und Microservices explodiert das Volumen sicherheitsrelevanter Daten. Terabytes an Logs pro Tag sind keine Seltenheit. Die Kunst besteht darin, aus dieser Datenflut relevante Ereignisse herauszufiltern. Fehlalarme („False Positives“) machen oft mehr als 90 % der Alerts aus – was zur sogenannten „Alert Fatigue“ im SOC führt.
Skill-Gap & Ressourcenmangel
Der Fachkräftemangel im Cybersecurity-Bereich ist gravierend. Gleichzeitig erfordert der Betrieb eines effektiven SOC tiefgreifendes Know-how in den Bereichen Forensik, Threat Intelligence, Incident Response und Compliance. Viele Unternehmen müssen entscheiden, ob sie ein eigenes SOC aufbauen oder auf MSSPS (Managed Security Service Provider) ausweichen.
Komplexität hybrider Infrastrukturen
Die klassische Trennung zwischen On-Premises und Cloud existiert kaum noch. Hybride Architekturen mit mehreren Cloud-Anbietern, APIs und dezentralen Zugriffspunkten machen das Monitoring und die Korrelation von Events deutlich anspruchsvoller.
Technologische Trends und Entwicklungen
XDR – Erweiterung des klassischen SIEMs
Extended Detection and Response (XDR) verspricht eine engere Integration verschiedener Security-Komponenten (Endpoint, Network, Identity, Cloud). Im Gegensatz zum „reinen“ SIEM, das eher aggregierend arbeitet, ist XDR proaktiver und stärker auf automatisierte Reaktion ausgerichtet. Viele Anbieter integrieren bereits XDR-Features in ihre SIEM-Plattformen.
KI und Machine Learning im SOC
Machine Learning wird zunehmend eingesetzt, um Anomalien zu erkennen, die mit regelbasierten Systemen nicht auffindbar sind. Modelle zur Verhaltensanalyse (UEBA – User and Entity Behavior Analytics) erkennen z. B. kompromittierte Accounts, lateral movement oder „Living off the Land“-Techniken.
SOAR – Automatisierung im Incident Response
Security Orchestration, Automation and Response (SOAR) ergänzt das SIEM durch automatisierte Playbooks und Workflows. Ziel ist es, die manuelle Bearbeitung von Vorfällen zu minimieren – etwa durch automatische Isolation kompromittierter Systeme oder Ticket-Erstellung in ITSM-Systemen.
Cloud-native SIEMs
Lösungen wie Microsoft Sentinel, Elastic SIEM oder Splunk Cloud bieten SIEM-Funktionalität als vollständig gemanagte Cloud-Dienste. Vorteile: Elastizität, Skalierbarkeit, integrierte Bedrohungsdatenbanken und geringere Wartungskosten. Ein Nachteil hierbei ist die Frage nach Datensouveränität und Datenschutz bei der Auslagerung sicherheitsrelevanter Logs.
Best Practices und strategische Empfehlungen
Use-Case-zentrierter Aufbau
Statt „alles loggen“, empfiehlt sich ein Use-Case-basiertes Vorgehen: Welche Bedrohungsszenarien sind für das Unternehmen relevant? Welche Events sind dafür notwendig? Damit werden sowohl Kosten als auch Komplexität reduziert.
Threat Intelligence einbinden
Die Anreicherung von Events mit externen Threat Feeds (z. B. IP-Reputationen, IOC-Listen, MITRE ATT&CK Mappings) verbessert die Kontextualisierung und Priorisierung von Alerts erheblich.
Red Teaming & Purple Teaming
Zur kontinuierlichen Verbesserung der Detection & Response-Fähigkeiten sind offensive Tests und simulierte Angriffe essenziell. Nur so lässt sich bewerten, ob das SIEM relevante Aktivitäten tatsächlich erkennt und wie gut das SOC darauf reagiert.
Fazit
Ein modernes SIEM oder SOC ist heute weit mehr als ein zentrales Log-Archiv. Es ist ein dynamischer, intelligenter Bestandteil der Sicherheitsarchitektur – oder sollte es zumindest sein. Organisationen, die frühzeitig auf Automatisierung, KI und eine flexible, Cloud-fähige Architektur setzen, werden langfristig nicht nur besser vor Bedrohungen geschützt sein, sondern auch ihre Ressourcen effizienter nutzen.
Die Herausforderung liegt nicht allein in der Technik – sondern in der strategischen Integration in das Unternehmen oder die Organisation: SIEM und SOC sind keine Tools, sondern Prozesse. Und genau hier entscheidet sich, ob die Investition in Sicherheitsinfrastruktur zum echten Mehrwert wird.
Empfehlungen in aller Kürze
Weniger Technik, mehr Strategie:
Ein reines „Tool-Kaufen-und-Betreiben“ reicht nicht mehr aus. Unternehmen müssen klären, welche Bedrohungen sie konkret adressieren wollen, und ihre SIEM/SOC-Architektur daran ausrichten.
Use-Case-getriebene Architektur:
Statt „alles loggen“, sollte der Fokus auf konkreten Detection-Use-Cases liegen. Nur so lassen sich Kosten, Datenflut und False Positives in den Griff bekommen.
Automatisierung & SOAR als Pflicht, nicht Kür:
Ohne automatisierte Workflows (SOAR) ist ein SOC mittelfristig ineffizient und überfordert. Automatisierung muss daher früh mitgedacht werden.
Skill-Mix & Rollen neu definieren:
Security-Analysten müssen neben technischer Expertise auch Fähigkeiten in Threat Modeling, Kommunikation und Incident Management mitbringen. Der Betrieb eines SOC erfordert interdisziplinäre Teams – auch mit Data Engineers, Threat Hunters und DevSecOps-Know-how.
Cloud-First, aber bewusst:
Cloud-native SIEMs bieten enorme Skalierungsvorteile, erfordern aber ein tiefes Verständnis für Cloud-Sicherheit, Compliance und Kostenkontrolle (Stichwort: „Log-Infrastruktur als Kostenfaktor“).
Security als kontinuierlicher Prozess:
Der Betrieb eines SOC ist kein „Projekt“, sondern ein laufender Verbesserungsprozess. Red Teaming, regelmäßige Review der Use Cases und Integration neuer Bedrohungsszenarien sind essenziell.
Glossar
EDR | Endpoint Detection and Response | Sicherheitslösung, die speziell dafür entwickelt wurde, Aktivitäten auf Endgeräten wie Laptops, Desktops und Servern in Echtzeit zu überwachen, Bedrohungen zu erkennen und darauf zu reagieren. |
MSSP | Managed Security Service Provider | MSSPs sind auf Informationssicherheit spezialisierte Drittanbieter, die Unternehmen bei der Überwachung und dem Management ihrer IT-Sicherheitsinfrastruktur unterstützen. MSSP bietet die Analyse von sicherheitsrelevanten Daten, das Management von Sicherheitsvorfällen sowie den Betrieb von SIEM- und SOC-Systemen |
SIEM | Security Information and Event Management | SIEM ist eine Art Sicherheitssoftware, die dazu dient, Protokolldaten aus verschiedenen Quellen in einer zentralen Plattform zusammenzufassen. SIEM ermöglicht es Unternehmen, potenzielle Sicherheitsbedrohungen und Schwachstellen zu erkennen, bevor Lücken ausgenutzt werden können. |
SOAR | Security Orchestration, Automation and Response | SOAR ist speziell darauf ausgelegt, die Entscheidungsfindung zu minimieren, indem ein dreistufiger Prozess zur Erfassung von Daten aus IT-Systemen und -Geräten eingesetzt wird. Dazu gehören Orchestrierung, Automatisierung und Reaktion. SOAR spürt Schwachstellen auf und identifiziert sie auf der Grundlage großer Mengen gesammelter SIEM-Daten, trifft sofortige und präzise Entscheidungen und eliminiert das Risiko menschlicher Fehler. |
UEMA | User and Entity Behavior Analytics | UEBA verwendet Algorithmen und maschinelles Lernen, um Anomalien im Verhalten der Benutzer sowie in den Routern, Servern und Endpunkten des Netzwerks zu erkennen. |
XDR | Extended Detection and Response | XDR bietet eine zentralisierte Plattform, die Sicherheitsdaten von Endpunkten, Netzwerkverkehr, E-Mail, Cloud-Plattformen und mehr zusammenführt und korreliert. |
Dieser Beitrag wurde von Sarah Erben (Senior Consultant) erstellt.
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