Bieterfragen – stellen oder nicht?

pexels leeloo thefirst 5428829 1

Es gibt so viele Mythen in dem Bereich Bieterfragen, deren Ursprung weder historisch noch logisch herleitbar ist. Dabei handelt es sich um ein sehr sensibles Thema, da der fehlerhafte Umgang mit Bieterfragen für die Vergabestelle zur Rückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor der Bekanntmachung oder zur Aufhebung des Vergabeverfahrens führen kann. In diesem Beitrag versuchen wir etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

1. Was sind Bieterfragen?

Bieterfragen sind Äußerungen von Bietern, die Antworten herausfordern. Sie können über die Vergabeplattform eingereicht werden oder aber auch auf anderen Kommunikationswegen eingehen. Häufig geben öffentliche Auftraggeber den Kommunikationsweg sowie die Form (z.B. Worddokument, das ausgefüllt werden muss) vor.

2. Wieso werden Bieterfragen eingereicht?

Das Motiv dieser Äußerungen ist für die Vergabestelle häufig nicht direkt erkennbar. Sie werden meistens bei Unklarheiten, missverständlichen Formulierungen, Fehlern oder Defiziten in den Vergabeunterlagen gestellt. Sie können jedoch auch aus taktischen Gründen eingesetzt werden, z.B. wenn der Bieter bestimmte Leistungen nicht erbringen möchte oder um die Konkurrenz zu verunsichern. Außerdem kann der Bieter sie auch als Druckmittel einsetzen, um (Angebots-)Fristen kurzfristig zu verlängern.

3. Sollten Mitbewerber Bieterfragen beachten?

Ja! Mitbewerben können sogar direkte Rückschlüsse aus den Bieterfragen der anderen Bewerber ziehen.

4. Müssen Bieterfrage beantwortet werden?

Ja! Der öffentliche Auftraggeber muss die entsprechenden Auskünfte bei rechtzeitiger Anforderung vor Ablauf der Angebotsfrist erteilen bzw. überarbeitete oder korrigierte Vergabeunterlagen zur Verfügung stellen. Wenn die Beantwortung nicht innerhalb der Frist möglich ist, dann muss abgewogen werden, ob die Bieter die Antwort zur Angebotsabgabe benötigen. Es ist anzuraten grundsätzlich die Frist zu verlängern. Angemessen werden regelmäßig 6 Kalendertage sein gemäß § 20 VgV. Laut herrschender Rechtsprechung findet der § 20 VgV auch Anwendung auf den Teilnahmewettbewerb.

Eine Ausnahme könnten offensichtlich rechtsmissbräuchliche Äußerungen darstellen.

5. Müssen telefonische Bieterfragen beantwortet werden?

Nein. Vergabestellen sind gut beraten auf den vorgegebenen Kommunikationsweg zu verweisen und schnellstmöglich das Gespräch zu beenden. Ansonsten drohen zahlreiche Folge- sowie Dokumentationsprobleme.

6. Müssen alle Bieter auch alle Fragen und Antworten bekommen?

Nein. In Ausnahmefällen kann es notwendig sein nur einzelne Bieter zu informieren. Ein Ausnahmefall wäre zum Beispiel gegeben, wenn die Antwort die Identität eines Bieters preisgeben würde oder Betriebsgeheimnisse betroffen wären.

Auch bei Losaufteilung wird der Bieter grundsätzlich nur noch die Fragen und Antworten erhalten, die sich auf die Lose beziehen, für die er sich auch beworben hat. Allerdings kann es notwendig werden, auch losübergreifend Bietern neue Informationen zur Verfügung zu stellen.

Aus den Antworten dürfen sich keine Informationen ergeben, welche Rückschlüsse die Identität oder das Angebot des Mitbieters zulassen.

Die Abwägung, wer die Fragen und Antworten bekommt, sollte stets dokumentiert werden. Eine falsche Entscheidung kann einen schweren Vergabeverstoß darstellen mit Hinblick auf den Transparenzgrundsatz, den Geheimhaltungsgrundsatz und den Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl. § 97 GWB).

7. Kann man Bieterfragen anonym einreichen?

Die Vergabestelle gibt meistens in den Bewerbungsbedingungen an, wie Bieterfragen einzureichen sind. Heutzutage erfolgt die Abgabe der Bieterfragen sowie auch die Beantwortung dieser praktisch nur noch auf dem elektronischen Weg. Eine anonyme Einreichung ist aufgrund der Registrierungssysteme momentan nicht möglich.

8. Müssen nicht registrierte Bieter informiert werden?

Nein. Der öffentliche Auftraggeber kann nicht wissen, wer alles Interesse an der Ausschreibung haben könnte. Nur die registrierten Bieter sind folglich zu informieren – siehe auch § 41 VgV.

9. Kann eine Bieterfrage auch eine Rüge sein?

Ja! Es gibt keine Formvorschrift, die vorgibt, wie eine Rüge zu erfolgen hat. Sie muss laut herrschender Rechtsprechung auch nicht als solche bezeichnet werden. Es muss nur der klare Vorwurf an den Auftraggeber objektiv erkennbar sein, vergaberechtliche Vorschriften nicht zu beachten, und dass dieser aufgefordert wird, diesen Umstand zu beseitigen.

Es ist dem öffentlichen Auftraggeber zu empfehlen, grenzwertige Äußerungen vorsichtshalber als Rügen einzustufen und sie entsprechend zu behandeln.

10. Nerven Bieterfragen?

Jein. Tendenziell eher nein. Es kursiert zwar der Mythos, dass viele Bieterfragen immer ein Hinweis auf schlechte Vergabeunterlagen sind. Allerdings ist es eher ein Hinweis darauf, dass die Bieter sich Gedanken für ihr Angebot machen. Und das sollte eher als positives Zeichen bewertet werden.

Eine Prognose, wie viele Bieterfragen gestellt werden, ist zudem praktisch unmöglich. Alle Bieter müssen unterschiedliche Prozesse intern beachten, weshalb auch alle Informationen unterschiedlich bewertet werden.

Wenn jedoch ein Bieter wiederholt dieselbe Auskunft verlangt oder man den Eindruck gewinnt, dass die Unterlagen nicht ordentlich gelesen werden, dann kann es auch für den öffentlichen Auftraggeber unangenehm werden.

Externe Berater freuen sich sogar häufig über viele Fragen, da sie dann natürlich auch mehr Zeit abrechnen können.

11. Welche Rechtsgrundlagen sollte man kennen?

Die Vergabeverordnung sowie die Unterschwellenvergabeordnung enthalten keine konkreten Regelungen zu Bieterfragen, setzen diese aber in § 20 Abs. 3 VgV und § 13 Abs. 4 UVgO voraus. Die übliche 6 Tagesfrist ergibt sich aus dem Satz „wenn zusätzliche Informationen trotz rechtzeitiger Anforderung durch ein Unternehmen nicht spätestens sechs Tage vor Ablauf der Angebotsfrist zur Verfügung gestellt werden“.

12. Was gilt bei verspäteten Bieterfragen?

Nach VK Bund (Beschl. v. 28.01.2017 – VK 2 – 129/16) sind öffentliche Auftraggeber zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens, auch kurz vor Ende der Angebotsfrist, verpflichtet, erkannte Defizite oder Fehler in den Vergabeunterlagen zu korrigieren, selbst wenn sie auf das Defizit oder den Fehler erst durch eine verspätete Bieteranfrage aufmerksam werden. Demzufolge müssen auch verspätete Bieterfragen grundsätzlich beantwortet werden.

Jutta Pertenais, die Autorin des Blogs, ist Rechtsanwältin und seit mehreren Jahren spezialisiert auf Themen rund um Vergabeverfahren und IT-Recht.