KI – ein vergaberechtlicher Trend?

pexels tara winstead 8386440 a

Derzeit gibt es so viele Vergabeverfahren zum Einkauf von künstlicher Intelligenz (KI) wie noch nie. Aber gibt es überhaupt bereits wirklich KI und wie kauft man sie am besten ein? Damit beschäftigt sich dieser Beitrag.

1.      Was ist Künstliche Intelligenz?

Eine allgemeingültige Definition von Künstlicher Intelligenz gibt es nicht. Das Hauptproblem stellt hier bereits der Begriff „Intelligenz“ dar – für den es auch losgelöst keine einheitliche Definition gibt. Die Psychologen verstehen unter Intelligenz einen Sammelbegriff für die geistige Leistungsfähigkeit. Was nun aber unter dieser geistigen Leistungsfähigkeit zu verstehen ist, hängt von der einzelnen Intelligenztheorie ab.

In dem Bitkom & DFKI Positionspapier von 2018 wurde Künstliche Intelligenz wie folgt definiert:

Künstliche Intelligenz beschreibt Informatik-Anwendungen, deren Ziel es ist, intelligentes Verhalten zu zeigen. Dazu sind in unterschiedlichen Anteilen bestimmte Kernfähigkeiten notwendig: Wahrnehmen, Verstehen, Handeln und Lernen. Diese vier Kernfähigkeiten stellen die größtmögliche Vereinfachung eines Modells zur modernen KI dar: Wahrnehmen – Verstehen – Handeln erweitern das Grundprinzip aller EDV Systeme: Eingabe – Verarbeitung – Ausgabe.

KI-Systeme sind Computerprogramme, die mit Techniken der Künstlichen Intelligenz erzeugt wurden. Gemäß Art. 3 Nr. 1 des KI-Gesetz-Entwurfes (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:52021PC0206) kann man KI-Systeme wie folgt definieren:

„eine Software, die mit einer oder mehreren der in Anhang I aufgeführten Techniken und Konzepte entwickelt worden ist und im Hinblick auf eine Reihe von Zielen, die vom Menschen festgelegt werden, Ergebnisse wie Inhalte, Vorhersagen, Empfehlungen oder Entscheidungen hervorbringen kann, die das Umfeld beeinflussen, mit dem sie interagieren“.

Es wird zwischen zwei Arten der Künstlichen Intelligenz unterschieden: die starke und die schwache. Die starke KI existiert heute noch nicht. Die KI kann zwar Daten verarbeiten und Muster erkennen, aber verstehen kann sie sie (heute noch) nicht. Ihr fehlt der „common sense“ bzw. Verstand. Sie kann derzeit noch nicht erkennen, wenn sie, aufgrund von unzureichenden Daten oder schlechter Programmierung, zu falschen Schlüssen kommt.

Wenn man heute von KI spricht, dann ist meistens die schwache, anwendungsorientierte KI gemeint, bei der es darum geht, den Menschen intelligent beim Erreichen seiner Ziele zu unterstützen.

Die schwache KI kann man in die symbolische (wissensbasierte) und statistische bzw. subsymbolische (datenbasierte) KI einteilen.

Bei der symbolischen KI werden Fakten, Ereignisse oder Aktionen mit konkreten und eindeutigen Repräsentationen erfasst. Das Wissen wird bisher immer „beigebracht“. Diese KI schafft Modelle, mit denen Menschen und Systeme gleichermaßen umgehen können. Es gibt verschiedene Verfahren der symbolischen KI z.B. Semantische Netze, Graph-Algorithmen, Ontologien und die logische Programmierung.

Bei der statistischen KI wird die Intelligenzleistungen durch „Datenfütterungen“ erreicht. Dadurch wird ein berechenbares Verhalten gelernt bzw. „antrainiert“. Allerdings hat man keinen Einblick in die erlernten Lösungswege. Die statische KI wird daher auch als „Machine Learning“ bezeichnet. Sie vereint Methoden der mathematischen Theorie und Optimierung, der Statistik und des Data Mining.

2.      Wie kaufe ich KI ein?

Es gibt keine speziellen gesetzlichen Vorgaben, wie KI zu beschaffen ist. Demzufolge gelten die üblichen vergaberechtlichen Regelungen.

Der Markt ist am Explodieren von Anbietern mit (angeblich) neuen Entwicklungen. Auf eine Markterkundung sollte daher nicht verzichtet werden. Auch sollte der Fachbereich intensiv die Versprechen der Unternehmen prüfen und sich Gedanken zum Datenschutz machen. Was genau KI aus Sicht des Auftraggebers ist, muss von diesem genau vorgegeben werden.

Welche Verfahrensart am Ende gewählt wird, wird stark davon beeinflusst, was am Ende wirklich eingekauft werden soll.

Der Auftraggeber kann immer das Offene und Nicht Offene Verfahren (mit Teilnahmewettbewerb) auswählen gemäß § 14 Abs. 2 VgV.  Er wird sie jedoch vermutlich aufgrund des innovativen Beschaffungsgegenstandes nicht wählen wollen.

In Frage kommen unter den weiteren Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 und 4 VgV auch noch das Verhandlungsverfahren (mit oder ohne Teilnahmewettbewerb), die Innovationspartnerschaft und der wettbewerbliche Dialog.

Innovationspartnerschaft und wettbewerblicher Dialog sind zwei Vergabeverfahrensarten, die sich durch einen hohen Innovationsgrad auszeichnen. Sie ermöglichen es dem Auftraggeber, gemeinsam mit den Bietern innovative Lösungen zu entwickeln und zu beschaffen.

Die Vergabeverfahrensarten lassen sich wie folgt unterscheiden:

  • Innovationspartnerschaft: Bei der Innovationspartnerschaft existiert noch keine Lösung am Markt. Die Leistung muss gemeinsam mit den Bietern entwickelt werden.
  • Wettbewerblicher Dialog: Bei dem wettbewerblichen Dialog existieren bereits Lösungen am Markt, die jedoch vom Auftraggeber nicht eindeutig beschrieben werden können. Die Bieter können ihre Lösungen auf Basis dieser Lösungen entwickeln.

Bei der Innovationspartnerschaft besteht das höchste Innovationspotenzial, da die Leistung gemeinsam mit den Bietern entwickelt wird. Der wettbewerbliche Dialog ist weniger komplex und zeitaufwändig und bietet dennoch die Möglichkeit, innovative Lösungen zu beschaffen.

Dennoch sind beide Verfahrensarten sehr zeit- und kostenintensiv.  Auch die Verfahrensdurchführung ist sehr komplex und riskant, weshalb wir die Verfahrensarten außerhalb des Forschungsbereichs äußerst selten empfehlen.

Wir bevorzugen deshalb regelmäßig das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb gegenüber anderen Verfahrensarten, weil es den Markt nicht einengt und zugleich die Verbesserung der Vergabeunterlagen im laufenden Verfahren ermöglicht. Zudem ist es im Verhandlungsverfahren erlaubt mit den einzelnen Bietern zu verhandeln.

Hinweis: Auch das Einhorn des Vergaberechts, das sog. Alleinstellungsmerkmal, wurde noch nicht gesichtet.

Praxistipp: Jeder öffentliche Auftraggeber sollte sich bewusst sein, dass er bei ungenauen Vergabeunterlagen schnell auch an die Grenzen des Möglichen stoßen kann.

Interessant ist hier auch die aktuelle Rechtsprechung der Vergabekammer Südbayern (Beschl. V. 13.06.2023 – 3194.Z3-3_01-23-11). Nach § 127 Abs. 4 GWB müssen Zuschlagskriterien so festgelegt werden, dass der Auftraggeber eine wirksame Überprüfung vornehmen kann, ob und inwieweit die Angebote die Zuschlagskriterien erfüllen. Dies gilt auch für qualitative Zuschlagskriterien, deren Erfüllung (noch) nicht überprüfbar ist.

In einem aktuellen Fall hat die Vergabekammer Südbayern entschieden, dass die Bewertung eines Zuschlagskriteriums, dessen Erfüllung (noch) nicht überprüfbar ist, im Ergebnis zulässig ist. Dabei hat die Vergabekammer folgende Vorgaben gemacht:

  • Die Vergabestelle muss die Möglichkeit haben, die Angaben zumindest auf Erfüllbarkeit hin zu überprüfen.
  • Die zugesicherten Merkmale müssen bei Leistungserbringung geschuldet sein.
  • Die Nichteinhaltung der zugesicherten Merkmale sollte mit Vertragsstrafen oder anderen Sanktionen sanktioniert werden.

In den nächsten Beiträgen setzen wir uns mit dem Machine Learning und datenschutzrechtlichen Anforderungen bzw. Fragen auseinander. Immer in Verbindung mit den vergaberechtlichen Herausforderungen.

Dieser Beitrag wurde von Jutta Pertenais (Vergabejuristin & Senior IT-Consultant) erstellt.

Falls Sie Fragen oder Anregungen haben oder weitere Informationen benötigen, können Sie sich gerne jederzeit direkt mit uns in Verbindung setzen.