Einseitige Optionen – im Speziellen Vertragsverlängerungsoptionen

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Vergabeunterlagen enthalten oftmals einseitige Optionen, worunter speziell einseitige Vertragsverlängerungsoptionen eingeordnet werden. Für den Auftraggeber bieten sie zusätzliche Flexibilität und viel Bequemlichkeit, da dadurch eine oder mehrere erneute Ausschreibungen umgangen bzw. verhindert werden können. Das kann dazu führen, dass sich Bieter benachteiligt fühlen, weil sie mehrere Jahre warten müssen, bis sie den Auftrag wieder gewinnen können. Dadurch steigt zum einen das Rügerisiko und zum anderen die Gefahr, zukünftig kaum mehr Angebote zu erhalten. Letzteres ist für die Praxis deutlich relevanter.  

In diesem Beitrag gehen wir neben der Zulässigkeit von einseitigen Optionen auf die Probleme in der Bewertung und die zu beachtenden gesetzlichen Vorgaben ein.

  1. Zulässigkeit von einseitigen Optionen für Vertragsverlängerungen

§ 132 GWB wird systematisch von hinten nach vorne geprüft. In einem ersten Schritt muss somit zunächst geprüft werden, ob es sich um eine geringfügige Auftragsänderung gem. § 132 Abs. 3 GWB handelt. Dies ist dann der Fall, wenn sich der Gesamtcharakter des Auftrags nicht ändert, der Wert der Änderung den jeweiligen Schwellenwert nicht übersteigt sowie bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen nicht mehr als 10% des ursprünglichen Auftragswerts beträgt (bei Bauaufträgen nicht mehr als 15%, bei sozialen und besonderen Dienstleistungen sowie im Unterschwellenbereich (UVgO) nicht mehr als 20%). Sofern § 132 Abs. 3 GWB nicht greift muss geprüft werden, ob ein Ausnahmetatbestand des § 132 Abs. 2 Nr. 1 – 4 GWB greift, worunter in der Nr. 1 Optionen sowie im Speziellen einseitige Vertragsverlängerungsoption fallen. Greift auch § 132 Abs. 2 GWB nicht, so ist der Umkehrschluss des § 132 Abs. 1 GWB zu prüfen. Demnach muss es sich um eine unwesentliche Änderung handeln, d.h. es darf keine Modifikation wesentlicher Leistungspflichten, keine Änderung des wirtschaftlichen Gleichgewichts, keine wesentliche Erweiterung des Leistungsumfangs und kein relevanter Wechsel des Auftragnehmers vorliegen. Greift auch Abs. 1 nicht, so ist die Leistung in einem neuen Vergabeverfahren auszuschreiben.

§ 132 Abs. 2 Nr. 1 GWB greift dann und einseitige Vertragsverlängerungsoptionen sind somit grundsätzlich zulässig, wenn diese in den Ausschreibungsunterlagen und der Bekanntmachung sowie im Vertrag ausdrücklich benannt sind. Der Wortlaut des § 132 Abs. 2 Nr. 1 GWB fordert hierfür, dass in den ursprünglichen Vergabeunterlagen klare, genaue und eindeutig formulierte Optionen vorgesehen sein müssen, die Angaben zu Art, Umfang und Voraussetzungen möglicher Auftragsänderungen enthalten. Der Gesamtcharakter des Auftrags darf sich durch die Verlängerungsoption jedoch nicht verändern.

Der öffentliche Auftraggeber muss alle kalkulationsrelevanten Informationen, die er zu den Verlängerungsoptionen kennt, den Bietern mitteilen. Die Überlassung der dem Auftraggeber zur Verfügung stehenden Informationen und Zahlen muss eine Prognose über das Auftragsvolumen ermöglichen. Dadurch kann einer Rüge wegen eines Verstoßes gegen § 121 Abs. 1 S. 1 GWB aufgrund eines unmöglich zu kalkulierenden Angebotspreises bzw. einer unzumutbaren Erschwerung der Kalkulation, vorgebeugt werden.

Zudem muss der öffentliche Auftraggeber sich bereits vor der Veröffentlichung Gedanken über die Bewertung der Optionen machen. Hierfür stehen ihm folgende Möglichkeiten für die Bewertung zur Verfügung:

  • Einseitige (Vertragsverlängerungs-)Optionen bzw. optionale Leistungen finden keine Berücksichtigung beim Wertungspreis, sodass der Bestbieter des Gesamtpreises mit Ausnahme der Optionen den Zuschlag erhält. Eine Nichtberücksichtigung bürgt jedoch das Risiko, dass die Bieter hohe Kosten für die optionale Vertragsverlängerung angeben und trotzdem den Zuschlag erhalten, sodass aufgrund der nicht vorliegenden Wirtschaftlichkeit dennoch eine Prüfung der optionalen Leistungen bzw. Vertragsverlängerungsoptionen durch den öffentlichen Auftraggeber erfolgen müsste. Diese Prüfung könnte dann zum Ausschluss des Bestbieters führen, sodass bei diesem Ärger vorprogrammiert ist.
  • Vollständige Berücksichtigung beim Wertungspreis: Alle Optionen fließen vollständig in den Wertungspreis ein. Bei dieser Bewertung würde der Bieter mit dem niedrigsten Gesamtpreis die höchste Preispunktzahl erhalten. Diese Variante hat den Nachteil, dass im Generellen deutlich teurere Angebote eingereicht werden könnten, da lange Vertragslaufzeiten auch Probleme für die Bieter mit sich bringen. Zudem kann es passieren, dass ein Bieter in den ersten Jahren deutlich günstiger wäre, als die Konkurrenz und dennoch (aufgrund der Gesamtbetrachtung) wegen den Folgejahren, die vielleicht nicht beauftragt werden würden, keinen Zuschlag erhält.
  • Anteilige Berücksichtigung beim Wertungspreis: Alle Optionen fließen in den Wertungspreis ein. Es erfolgt aber eine Berücksichtigung der Beauftragungswahrscheinlichkeit der einzelnen Option. Dies kann zum Beispiel derart erfolgen, dass der jeweilige Angebotspreis einer Option mit dessen Beauftragungswahrscheinlichkeit (Faktor 0,1 bis 0,9) multipliziert wird und diese Preisanteile zum Preis der Hauptleistung addiert werden. Diese Variante ist aus unserer Sicht die eleganteste Lösung. Der Auftraggeber kann den Wert je nach Wahrscheinlichkeit der Nutzung der optionalen Vertragsverlängerungen wählen.

2. Wann ändert sich der Gesamtcharakter des Auftrags?

Der Gesamtcharakter des Auftrags bemisst sich an den Hauptleistungspflichten sowie der Auftragsart, Laufzeit und dem wirtschaftlichen Gleichgewicht zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem Auftragnehmer. Betrachtet werden muss alles, was dem öffentlichen Auftrag bzw. dem jeweiligen Vertragstyp sein Gepräge gibt und eine Wettbewerbsteilnahme maßgeblich beeinflusst. Der Geldwert einer Änderung stellt hierbei einen Faktor der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung dar. Es ist immer eine Einzelfallbetrachtung notwendig.

Danach dürfte sich der Gesamtcharakter des Auftrags in jedem Falle ändern, wenn etwas anderes als die ursprüngliche Leistung beschafft werden sollte.  Zum Beispiel, wenn anstatt einer Remote-Softwarelösung doch plötzlich eine On-Premise-Softwarelösung umgesetzt werden soll. Ein Gegenbeispiel könnte sein, dass es neue gesetzliche Vorschriften im Datenschutz gibt, die beachtet werden müssen und somit die Softwarelösung verändern.

Die Änderung des Gesamtcharakters des Auftrags ist nicht zwangsläufig deckungsgleich mit einer wesentlichen Vertragsmodifikation. Es ist jedoch stets ein Warnsignal, dass eine Prüfung stattfinden sollte. Eine zeitliche Auftragserweiterung stellt z.B. regelmäßig keine Änderung des Gesamtcharakters des Auftrags dar.

3. Gibt es eine Grenze für die Zulässigkeit von Optionen – im speziellen von Vertragsverlängerungen?

Eine Obergrenze für Verlängerungsoptionen gibt es grundsätzlich nicht, da öffentliche Aufträge keiner allgemein geltenden Höchstdauer unterliegen. Ausnahmen bilden jedoch Rahmenvereinbarungen, welche gem. § 21 Abs. 6 VgV grundsätzlich maximal 4 Jahre, gem. § 15 Abs. 4 UVgO maximal 6 Jahre und gem. § 19 Abs. 3 SektVO maximal 8 Jahre betragen dürfen. Es können jedoch auch längere Rahmenvereinbarungen abgeschlossen werden, wenn es dafür angemessene Gründe gibt und die Entscheidung im Vergabevermerk entsprechend begründet und dokumentiert wird.  

Regelmäßig wird auch die Angemessenheit bzw. die Verhältnismäßigkeit ein Problem spielen. Generell gilt, dass der Umfang der optionalen Leistungen im Verhältnis zum geschätzten Gesamtauftragswert in einem angemessenen Verhältnis stehen sollte. Verbindlich vorgegebene Prozentgrenzen des geschätzten Wertes der als Optionen ausgeschriebenen Leistungen vom geschätzten Gesamtauftragswert der insgesamt ausgeschriebenen Leistungen bestehen zwar nicht. Je größer jedoch der Umfang der optionalen Leistungen ist, desto mehr steigt das Risiko, dass ein Bieter den Zuschlag erhält, der nur wegen der optionalen Leistungen das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat. Zur Vermeidung einer unwirtschaftlichen Beschaffung und des Vorwurfs eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Zuschlagserteilung auf das wirtschaftlichste Angebot ist auf optionale Leistungen grundsätzlich nur zurückhaltend zurückzugreifen.

Die Rechtsprechung hatte zudem bisher nur zu klären, ob bei einem einjährigen Vertrag eine dreimalige Verlängerungsoption vergaberechtlich in Ordnung ist. Es gibt keine Rechtsprechung, ob es auch noch angemessen wäre einen einjährigen Vertrag mit zehnmaligen jährlichen Verlängerungsoption zu vergeben.

Zu beachten sind jedoch – wie allgemein bei der Festlegung der Vertragslaufzeit – die Grundsätze des Wettbewerbs, der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit. Somit fällt mit steigender Vertragslaufzeit das Rechtfertigungserfordernis proportional höher aus.

4. Gibt es eine Unterscheidung zwischen Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen?

Nein. Die Anforderungen an die Vertragsverlängerungsoption sind für alle Bereiche die gleichen (Ausnahme Rahmenvereinbarungen). Bei Änderungen während der Vertragslaufzeit ist § 22 VOB/A zu beachten.

Dieser Beitrag wurde von Luisa Skudlarek (Vergabejuristin) erstellt.

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