Das 5. EU-Sanktionspaket im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat unmittelbare Auswirkungen auf die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen – z.T. auch außerhalb der EU-Vergaberichtlinien – sowie die laufende Ausführung bereits abgeschlossener Aufträge / Konzessionen.
Der Artikel 5k der neuen Verordnung (EU) 2022/576 (erlassen am 08.04.2022 und bereits gültig) enthält ein Verbot der Vergabe von Aufträgen (Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen) oder Konzessionen, die in den Anwendungsbereich der EU-Vergaberichtlinien fallen. Zudem erfasst das Verbot auch die Sachverhalte von den in Artikel 5k Absatz 1 der Verordnung genannten Artikeln. Das Verbot gilt für eu-weite Vergabeverfahren und bezieht sich auch auf die weitere Erfüllung bestehender Verträge.
Dabei erstreckt sich das Verbot nicht nur lediglich auf Auftragsvergaben an russische Staatsangehörige oder in Russland niedergelassene natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, sondern erfasst auch eine Beteiligung solcher Unternehmen am Auftrag als Unterauftragnehmer, Lieferanten oder im Zusammenhang mit der Erbringung des Eignungsnachweises (soweit mehr als 10% des Auftragswertes auf betroffene Unternehmen entfallen). Die Umsetzung des in Art. 5k Abs. 1 der VO vorgesehenen Verbots obliegt den beschaffenden Stellen unmittelbar. Nach erster Einschätzung bietet sich hierfür die Anforderung entsprechender Eigenerklärungen an.
Für die Ausführung bereits zugeschlagener Aufträge / Konzessionen besteht eine sechsmonatige Übergangsfrist bis zum 10. Oktober 2022.
Tipp: Holen Sie sich nun unbedingt Eigenerklärungen zur Umsetzung von Artikel 5k Absatz 3 der Verordnung (EU) 2022/576 des Rates vom 8. April 2022 von den Bietern ein!
Artikel 5k lautet wie folgt:
(1) Es ist verboten, öffentliche Aufträge oder Konzessionen, die in den Anwendungsbereich der Richtlinien über die öffentliche Auftragsvergabe sowie unter Artikel 10 Absatz 1, Absatz 3, Absatz 6 Buchstaben a bis e, Absatz 8, Absatz 9 und Absatz 10 und die Artikel 11, 12, 13 und 14 der Richtlinie 2014/23/EU, unter die Artikel 7 und 8, Artikel 10 Buchstaben b bis f und h bis j der Richtlinie 2014/24/EU, unter Artikel 18, Artikel 21 Buchstaben b bis e und g bis i, Artikel 29 und Artikel 30 der Richtlinie 2014/25/EU und unter Artikel 13 Buchstaben a bis d, f bis h und j der Richtlinie 2009/81/EG fallen, an folgende Personen, Organisationen oder Einrichtungen zu vergeben bzw. Verträge mit solchen Personen, Organisationen oder Einrichtungen weiterhin zu erfüllen:
a) russische Staatsangehörige oder in Russland niedergelassene natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen,
b) juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, deren Anteile zu über 50 % unmittelbar oder mittelbar von einer der unter Buchstabe a genannten Organisationen gehalten werden, oder
c) natürliche oder juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen, die im Namen oder auf Anweisung einer der unter Buchstabe a oder b genannten Organisationen handeln,
auch solche, auf die mehr als 10 % des Auftragswerts entfällt, Unterauftragnehmer, Lieferanten oder Unternehmen, deren Kapazitäten im Sinne der Richtlinien über die öffentliche Auftragsvergabe in Anspruch genommen werden.
(2) Abweichend von Absatz 1 können die zuständigen Behörden die Vergabe oder die Fortsetzung der Erfüllung von Verträgen genehmigen, die bestimmt sind für
a) den Betrieb ziviler nuklearer Kapazitäten, ihre Instandhaltung, ihre Stilllegung, die Entsorgung ihrer radioaktiven Abfälle, ihre Versorgung mit und die Wiederaufbereitung von Brennelementen und die Weiterführung der Planung, des Baus und die Abnahmetests für die Indienststellung ziviler Atomanlagen und ihre Sicherheit sowie die Lieferung von Ausgangsstoffen zur Herstellung medizinischer Radioisotope und ähnlicher medizinischer Anwendungen, kritischer Technologien zur radiologischen Umweltüberwachung sowie für die zivile nukleare Zusammenarbeit, insbesondere im Bereich Forschung und Entwicklung,
b) die zwischenstaatliche Zusammenarbeit bei Raumfahrtprogrammen,
c) die Bereitstellung unbedingt notwendiger Güter oder Dienstleistungen, wenn sie ausschließlich oder nur in ausreichender Menge von den in Absatz 1 genannten Personen bereitgestellt werden können,
d) die Tätigkeit der diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Union und der Mitgliedstaaten in Russland, einschließlich Delegationen, Botschaften und Missionen, oder internationaler Organisationen in Russland, die nach dem Völkerrecht Immunität genießen.
e) den Kauf, die Einfuhr oder die Beförderung von Erdgas und Erdöl, einschließlich raffinierter Erdölerzeugnisse, sowie von Titan, Aluminium, Kupfer, Nickel, Palladium und Eisenerz aus oder durch Russland in die Union, oder
f) den Kauf, die Einfuhr oder die Beförderung von Kohle und anderen festen fossile Brennstoffen, die in Anhang XXII aufgeführt sind, bis 10. August 2022.
(3) Der betreffende Mitgliedstaat unterrichtet die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission über jede nach diesem Artikel erteilte Genehmigung innerhalb von zwei Wochen nach deren Erteilung.
(4) Die Verbote gemäß Absatz 1 gelten nicht für die Erfüllung — bis zum 10. Oktober 2022 — von Verträgen, die vor dem 9. April 2022 geschlossen wurden.
Jutta Pertenais, die Autorin des Blogs, ist Rechtsanwältin/Senior Consultant und seit mehreren Jahren spezialisiert auf Themen rund um Vergabeverfahren und IT-Recht. An dieser Stelle bloggt sie regelmäßig zu Problemstellungen aus ihrem Arbeitsalltag.