Wie schon im ersten Teil unseres Blogbeitrags erwähnt, ist die nachhaltige Verkehrswende inzwischen regelmäßiger Quell von Vergabeentscheidungen, so auch bei der hier vorgestellten Entscheidung des OLG Düsseldorfs (Beschluss vom 29.03.2021 – Verg 09/21).
Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb
Der Auftraggeber wollte die Erstellung eines Buchungs- und Zugangssystems für verschließbare Fahrradabstellanlagen ausschreiben. Hierzu sollte ein „Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb“ (§ 17 VgV) dienen, also ein Verfahren in welchem die potenziellen Bieter bereits vorher anhand von Mindestanforderungen „ausgesiebt“ werden sollten.
Die Mindestanforderungen bestanden vor allem in Referenzen, die mit der ausgeschriebenen Leistung vergleichbar sein sollten. Diese Referenzen durften nicht älter als 4 Jahre sein und sich nur – dies ergab sich aus einer entsprechenden Bieterfrage – auf bereits umgesetzte und in Betrieb befindliche Aufträge beziehen.
So weit so gut. Mehrere Bieter reichten daraufhin ihre Unterlagen für den Teilnahmewettbewerb ein. Nach einer Prüfung durch den Auftraggeber wurden daraufhin zwei Bieter zum Verhandlungsverfahren zugelassen.
Der Auftraggeber erteilte dann einem Bieter den Zuschlag. der andere – unterlegene – Bieter wehrte sich dagegen. Während er zunächst versuchte, die Angebotswertung in Frage zu stellen, rügte der Unterlegene danach den Umstand, dass die vom erfolgreichen Bieter vorgelegten Referenzen nicht den aufgestellten Anforderungen genügen würden. In einer ersten Rüge wurde die Behauptung fehlender Referenzen lediglich durch die Floskel „nach unserer Kenntnis“ begründet. Erst nach Ablauf der Rügefrist und durch den Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer untermauerte der unterlegene Bieter sein Vorbringen mit seiner Marktkenntnis.
Substanzlose Rüge?
Das OLG Düsseldorf zweifelte schon die Zulässigkeit der Rüge an und verwies hierzu auf seine gefestigte Rechtsprechung, wonach Rügen ein Mindestmaß an Substantiierung einhalten müssen, reine Vermutungen jedenfalls nicht ausreichen würden.
Eignungsentscheidung im Teilnahmewettbewerb schafft Vertrauenstatbestand.
Diese Frage ließ das OLG Düsseldorf aber offen, weil aus der Sicht des Gerichts die Rüge jedenfalls unbegründet sei. Durch die positiv beschiedene Eignungsprüfung sei ein Vertrauenstatbestand beim Bieter geschaffen worden, der nicht im Nachhinein wieder in Frage gestellt werden dürfe. Zur rechtlichen Sicherung verwies das Gericht auf § 16b EU Abs. 3 VOB/A 2019, der grundsätzlich nur für Bauvergabeverfahren anwendbar ist. Letztlich sei es ein in § 242 BGB (Treu und Glauben) wurzelnder Grundsatz, der einen entsprechenden Vertrauenstatbestand begründe.
Das erkennende Gericht ließ dabei offen, was passieren würde, wenn es sich um sachfremde oder manipulative Entscheidungen handele. Dafür sei hier aber nichts vorgetragen.
Die Entscheidung wurde stark kritisiert. Prof. Dr. Christian-David Wagner hat in seiner Rezension (Einmal geeignet, immer geeignet? | DTVP) darauf hingewiesen, dass der Beschluss des OLG Düsseldorf in einem Spannungsverhältnis zu Entscheidungen des VK Bundes stehe (Beschluss v. 18.09.2017, VK 2 – 86/17 und Beschluss v. 01.03.2018, VK 2 – 08/18), wonach der Auftraggeber eigene Fehler korrigieren können muss, u.a. weil § 122 Abs. 1 GWB voraussetze, dass der Zuschlag nur an geeignete Bieter erteilt werden dürfe.
Es ist somit fraglich, welcher Rechtsauffassung sich die nächste Vergabekammer anschließen wird.
Tipp 1:
Die selbstgesetzten Regeln des vorgeschalteten Teilnahmewettbewerbs sind gut zu überlegen. Setzt man hier die Hürde zu hoch, kommt es möglicherweise zu unwirtschaftlichen Vergaben oder die Vergaben scheitern, weil kein Bieter die Hürden nehmen kann. Im vorliegenden Fall war die selbstgestellte Hürde der Referenzen zwar kein entscheidendes Problem und der Auftraggeber hatte Glück, dass die Vergabekammer und das OLG Düsseldorf die Entscheidung billigte. Doch um Rügeverfahren zu vermeiden und dem Vorwurf der Manipulation zu entgehen, sind die geforderten Referenzen nicht zu hochzuschrauben.
Tipp 2:
Bei einer Rüge muss möglichst umfassend vorgetragen werden; ein substanzloses Bedenkenäußern reicht hier nicht. Dies gilt im besonderen Maß, wenn die Rüge sich auf einen vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb bezieht, und dort bereits eine Entscheidung getroffen wurde. Wer das Risiko nicht scheut, kann aber auch noch in einem späten Verfahrensstand einen Glückstreffer landen. Insbesondere, wenn man Einblick in die Vergabeakte erhält und dort Fehler entdeckt.
Falls Sie Fragen oder Anregungen haben oder weitere Informationen benötigen, können Sie sich gerne jederzeit direkt mit uns in Verbindung setzen.
Dieser Beitrag wurde von Dr. Richard Bley (Senior Consultant) zusammen mit Jutta Pertenais (Senior Consultant) erstellt.