Wann sind Fristen „ausreichend“ bemessen?

Sowohl die nicht mehr geltende VOL/A, Teil 1, als auch die nunmehr geltende Unterschwellenvergabeordnung geben für nationale Vergabeverfahren keine fest definierten Mindestfristen vor. Der Gesetzgeber verlangt nach wie vor lediglich „ausreichende“ Fristen. Das bedeutet, dass dieser unbestimmte Rechtsbegriff in jedem nationalen Vergabeverfahren neu mit Leben zu füllen ist.

Mit so einem Sachverhalt hatte sich die Vergabekammer Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 22.12.2016, 3 VK LSA 50/16) zu befassen. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hat eine ausschreibende Stelle am 7.10.2016 die Vergabebekanntmachung veröffentlicht und die Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellt. Abgabeschluss für die Angebote war der 26.10.2016. Die Unterlagen waren zum Teil fehlerhaft, was Bieter am 20. bzw. 21.10.2016 rügten. Am 24.10. überreichte die ausschreibende Stelle korrigierte Unterlagen, beließ es aber bei dem ursprünglichen Abgabetermin. Im Ergebnis der Angebotsprüfung erfolgte der Zuschlag. Der Antragsteller rügte das Verfahren daraufhin erfolgreich vor der Vergabekammer Sachsen-Anhalt. Die Kammer stellte zunächst fest, dass aus anderen Gründen (hier: Verstoß gegen das Landesvergabegesetz Sachsen-Anhalt) der Zuschlag unzulässig war. Gleichwohl war das Vergabeverfahren wegen Verstoßes gegen § 10, 20 VOL/A rechtswidrig. „Die Bemessung der Angebotsfrist richtet sich nach § 10 Abs. 1 VOL/A. Danach sind für die Bearbeitung und Abgabe der Teilnahmeanträge und der Angebote sowie für die Geltung der Angebote sind ausreichende Fristen (Teilnahme-, Angebots- und Bindefristen) vorzusehen.“ Anders als die VOB bestimmt die VOL (und die UVgO) keine konkreten Mindestfristen, so dass der ausschreibenden Stelle hier ein Ermessen zusteht. „Hier ist die Ausübung eines Ermessens durch den Antragsgegner in keiner Weise dokumentiert oder nachvollziehbar. Angesichts einer Reaktionszeit des Antragsgegners von vier Tagen zur Versendung der fehlenden und überarbeiteten Unterlagen erscheint es jedoch wenig nachvollziehbar, dass der Antragsgegner den Bietern eine noch verbleibende Angebotsfrist von nur zwei Tagen zugesteht, um anhand von insgesamt vier nachgereichten Preisblättern die Kalkulation ordnungsgemäß vorzunehmen. Damit ist das Vergabeverfahren in diesem Punkt wegen der fehlerhaften Ermessensentscheidung des Antragsgegners rechtswidrig. Das Vergabeverfahren ist damit in den Stand zurückzuversetzen, ab dem es fehlerhaft ist. In diesem Fall ist es ab dem Zeitpunkt der Versendung der vollständigen und korrekten Vergabeunterlagen unter der Gewährung einer angemessenen Angebotsfrist zu wiederholen.“

Fazit: Prüfen und vor allem dokumentieren Sie in der Vergabeakte, wie Sie Ihr Ermessen zur Bestimmung der im Verfahren festgelegten Fristen ausgeübt haben und warum Sie die festgelegten Fristen für ausreichend ansehen. Ohne entsprechende Dokumentation müssen Ihnen Ermessenfehler unterstellt werden und das Verfahren ist wegen mangelhafter Dokumentation rechtswidrig. Empfehlung: Orientieren Sie sich an den Fristen für EU-Vergaben. Diese sollten in der Regel angemessen sein.

Robby Semmling, der Autor des Blogs, ist Rechtsanwalt und seit mehreren Jahren spezialisiert auf Themen rund um Vergabeverfahren. An dieser Stelle bloggt er regelmäßig zu Problemstellungen aus seinem Arbeitsalltag.