Die Abtrennung von Bieterfragen und Rügen

Die Abtrennung von Bieterfragen und Rügen ist in der Praxis nicht immer einfach. Es kommt, wie bei anderen Rechtsbehelfen, nicht auf die Überschrift, vielmehr auf den Inhalt an. Im Folgenden wollen wir Ihnen einen kurzen Überblick über diese Thematik verschaffen und Ihnen praxis-orientierte Tipps mit auf dem Weg geben.

Rüge  

    Eine Rüge kommt für Bieter immer dann in Betracht, wenn diese einen (vermeintlichen) vergaberechtlichen Verstoß in den Vergabeunterlagen, der Bekanntmachung oder auch bei der Bewertung ihrer Angebote wahrnehmen. Also grundsätzlich bei vergaberechtlichen Verstößen in allen Verfahrensschritten und -stufen.

    Mit der Rüge wird der öffentliche Auftraggeber auf den Verstoß aufmerksam gemacht und bekommt die Möglichkeit, diesen abzuändern, also der Rüge abzuhelfen oder zu argumentieren, warum kein vergaberechtlicher Verstoß vorliegt.  

    Sollte der Rüge, durch den Auftraggeber, nicht abgeholfen werden, löst diese eine 15-tägige Frist aus, innerhalb welcher, ein Nachprüfungsantrag bei der zuständigen Vergabekammer gestellt werden kann. (§ 160 Abs. 3, Nr. 4 GWB)

    Die Rüge ist also häufig der „Vorgänger“, bevor ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet werden kann. Der Auftraggeber soll hierdurch Kenntnis von vergaberechtlichen Verstoß erlangen und die Möglichkeit haben, diesen abzuändern. Hierzu gibt es in der Praxis aber auch Ausnahmen, bei welchen die Rüge entbehrlich sein kann (§ 160 Abs. 3, Nr. 1 GWB)

    Sollte der Auftraggeber der Rüge nicht abhelfen bzw. anderer Meinung sein, muss der Bieter sich an die zuständige Vergabekammer wenden. Achtung: Das Nachprüfungsverfahren muss vor der Zuschlagserteilung eingeleitet werden, um das Verfahren zu auszusetzen, (§ 169 Abs. 1 GWB). Die Rüge hingegen reicht nicht, um ein Auftraggeber an der Zuschlagserteilung zu hindern. In Ausnahmefällen kann ein Vergabeverfahren bzw. ein öffentlicher Auftrag aber auch im Nachgang, also nach Zuschlagserteilung, durch eine Vergabekammer also unwirksam erklärt werden. Dies ist aber eher die Ausnahme (§ 135 GWB).

    Eine Rüge muss immer ohne Verzögerung direkt nach Kenntnis des Vergaberechtsverstoß beim Auftraggeber eingehen. Ansonsten droht die Präklusion, d.h. das der Verstoß nicht rechtzeitig vorgetragen wurde. Rügen, die beispielsweise die Eignungs- und Zuschlagskriterien betreffen, müssen grundsätzlich vor dem Ablauf der Bewerbungs- bzw. Angebotsfrist bei dem öffentlichen Auftraggeber eingereicht werden.

    Die Rüge muss keine Formvorschriften einhalten, so muss, nicht mal das Stichwort Rüge fallen, vielmehr kommt es darauf an, dass der vermeintliche Verstoß kurz, aber konkret beschrieben wird und der Bieter den Auftraggeber auffordert, dies abzuändern. (VK Bund, Beschluss vom 08.05.2024, VK 2-35/24).

    Eine Bieterfrage / Bieternachricht kann somit als eine Rüge zu werten sein, wenn diese konkrete vergaberechtswidrige Beanstandungen enthalten und die Abhilfe eben dieser Punkte gefordert wird. Ein allgemeiner Hinweis, dass das Vergabeverfahren rechtsfehlerhaft sei, reicht hingegen grundsätzlich nicht aus.

    Bieterfragen

    Bieterfragen sind grundsätzlich das Mittel der Bieter, wenn es zu Unstimmigkeiten oder Fragen zu den Vergabeunterlagen, der anzubietenden Leistung oder dem Vergabeverfahren kommt. Gem. § 121 Abs. 1 GWB hat der Bieter Anspruch auf eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung des Auftragsgegenstands, sollte diese nicht vorliegen, muss der Auftraggeber diese anhand der Bieterfragen konkretisieren.

    Bieterfragen- und antworten müssen grundsätzlich allen Bietern anonymisiert zur Verfügung gestellt werden unter Beachtung des Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot gemäß § 97 GWB. Hierzu gibt es aber auch Ausnahmen. Wenn andere Bieter durch die Antwort, Rückschlüsse auf das Angebot oder die Identität des fragestellenden Bieters ziehen können, darf die Bieterfrage- und antwort nur diesem Bieter zur Verfügung gestellt werden.

    Der Auftraggeber setzt immer eine Frist zur Einreichung von Bieterfragen fest, da diese bis zur Angebotsabgabe beantwortet werden müssen. Sollte eine Bieterfrage nach der gesetzten Frist eingehen, gilt es zu prüfen, ob die Bieterfrage zu wesentlichen Veränderungen in den Vergabeunterlagen führt und sodann muss diese beantwortet und die Frist zur Angebotsabgabe verlängert werden (§ 20 Abs. 3. VgV, § 12a EU Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 VOB/A EU).

    Typischerweise sind Bieterfragen reine Verständnisfragen dahingehend, wie eine bestimmte, vom Auftraggeber gesetzte Vorgabe zu verstehen ist. Die Beantwortung der Bieterfragen muss möglichst, eindeutig und unmissverständlich erfolgen (VK Westfalen, Beschl. v. 29.02.2016 – VK 1-5/06).

    Es gilt außerdem zu beachten, dass es keine Widersprüche zwischen Vergabeunterlagen, Bekanntmachung und den Bieterfragen- und antworten geben darf. Im Zweifel sollten also mit Beantwortung der Bieterfragen direkt auch etwaige Vergabeunterlagen abgeändert werden, damit es eben zu keinen Widersprüchen innerhalb des Vergabeverfahrens kommt (VK Bund, Beschl. v. 27.02.2023 – VK 2-8/23; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.03.2022 – 54 Verg 11/21).

    Unterscheidung in der Praxis

    Zusammenfassend kommt es bei der Unterscheidung von Bieterfragen und Rügen immer auf die Formulierung des Bieters an und der Auftraggeber muss objektiv bewerten, was mit der Nachricht ausgesagt werden soll. Wird ein vergaberechtlicher Verstoß angesprochen und wird um die Abänderung eben diesen gebeten, sollte die Vergabestelle von einer Rüge ausgehen und die Nachricht als solche behandeln. Wird hingegen nur eine Verständnisfrage zur Leistung gestellt, handelt es sich um eine Bieterfrage, die innerhalb der gesetzten Frist beantwortet werden muss.

    Beispiel:

    BieterfrageRüge
    Können Sie die Anforderung X in der Leistungsbeschreibung konkreter beschreiben?Die Anforderung X in der Leistungsbeschreibung benachteiligt uns und bevorteilt andere Bieter. Bitte ändern Sie die Anforderung wie folgt ab.

    Falls Sie Fragen oder Anregungen haben oder weitere Informationen benötigen, können Sie sich gerne jederzeit direkt mit uns in Verbindung setzen.