Überraschungspakete von Vergabestellen

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(Vergabekammer Berlin, Beschluss vom 24.01.2023 – VK B 2-35/22)

Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der Änderung der Vergabeunterlagen während der Angebotsphase durch die Vergabestelle und den daraus resultierenden Konsequenzen.

Die Antragsgegnerin schrieb im August 2022 Landschaftsbauarbeiten in einem offenen Verfahren aus. Sie lud während der Angebotsphase ein sogenanntes „Änderungspaket“ auf die Vergabeplattform hoch. Dieses Paket enthielt zusätzliche Unterlagen, die von den Bietern eingereicht werden sollten, insbesondere ein Formblatt zur Stoffpreisklausel. Sowohl im Änderungspaket selbst als auch im Fragen-Antworten-Katalog für Bieter wurde auf dieses Formular hingewiesen. Es wurde auch klargestellt, dass dieses Formular nicht nachgefordert würde:

„Fehlende Unterlagen, deren Vorlage mit dem Angebot gefordert war, werden teilweise nachgefordert, und zwar folgende Unterlagen: alle fehlenden Unterlagen werden nachgefordert, mit Ausnahme der Formblätter V 2251 F“

Die Antragstellerin reichte ihr Angebot fristgerecht ein, jedoch ohne die Unterlagen aus dem Änderungspaket. Daraufhin schloss die Vergabestelle die Antragstellerin vom Verfahren aus. Die Antragstellerin erhob dagegen Einwand und argumentierte, dass die Vorlage des Formblatts in der ursprünglichen Ausschreibung nicht erkennbar gewesen sei und daher nicht nachträglich gefordert werden dürfte. Zudem hätte die Möglichkeit einer Nachforderung eingeräumt werden müssen. Nachdem die Rüge erfolglos blieb, stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Nachprüfung.

Der Nachprüfungsantrag war nicht erfolgreich, da er teilweise offensichtlich unzulässig und soweit zulässig offensichtlich unbegründet war.

Der Beschluss der Vergabestelle betonte die Einhaltung der Verfahrensgrundsätze von Transparenz, Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit gemäß § 97 Abs. 1 und 2 GWB. Gemäß dieser Bestimmung ist der Auftraggeber grundsätzlich berechtigt, die Vergabeunterlagen nachträglich zu ändern. Zudem wurde betont, dass den Bietern die Vorgabe des Nachforderungsausschlusses, die im Änderungspaket nachträglich aufgestellt wurde, transparent mitgeteilt wurde und dass der Ausschluss des Angebots bei Nichtvorlage der Unterlagen eine daraus resultierende Konsequenz war. Die rechtlichen Konsequenzen waren nach Auffassung der Vergabekammer für einen durchschnittlichen Bieter in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht erkennbar.

Die Vergabekammer stellte fest, dass der vorliegende Nachforderungsausschluss auch gemäß § 16a EU Abs. 2 VOB/A abgedeckt war. Aufgrund der Unvollständigkeit des Angebots musste es daher zwingend ausgeschlossen werden.

Zusätzlich befasste sich die Vergabekammer mit der Frage inwieweit Akteneinsicht zu gewähren ist.

Praxistipps:

Die Entscheidung der Vergabekammer Berlin ist äußerst positiv für Vergabestellen, da sie klarstellt, dass nachträgliche und begrenzte Festlegungen gemäß § 16a EU Abs. 3 VOB/A zulässig sind.

Obwohl sich die Entscheidung auf den konkreten Auftragsgegenstand bezieht und ausschließlich die Norm des § 16a EU Abs. 3 VOB/A behandelt, sind die tragenden Erwägungen und das Ergebnis auf die wortgleiche Bestimmung des § 56 Abs. 2 Satz 2 VgV übertragbar.

Für Bieter gilt:

Der Nachprüfungsantrag war teilweise nicht zulässig, weil der Bieter bereits vor Angebotsabgabe hätte Rügen müssen. Er hatte deshalb bereits keine Chancen auf Erfolg. Aus diesem Grund ist es sehr zu empfehlen sich bereits im Verfahren juristische Unterstützung zu suchen.

Dieser Beitrag wurde von Jutta Pertenais (Vergabejuristin & Senior IT-Consultant) erstellt.

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