Der Einsatzdienst im Umfeld von Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) bedeutet anspruchsvolle Arbeit in immer wechselnden Lagen und an besonderen Einsatzorten. Diese Arbeit fordert von Einsatzkräften Höchstleistungen, die oft nah an der psychischen und physischen Belastungsgrenze liegen. Daher haben sie zu Recht einen hohen Anspruch an Perfektion an sich selbst, ihre Abläufe und die Einsatztechnik. Egal, ob ehrenamtlich im nicht-polizeilichen Umfeld der Feuerwehr, in der Katastrophenhilfe oder aber in hauptamtlicher Beschäftigung bei einem Rettungsdienst oder der Polizei. So vielfältig die Einsatzbereiche auch sind, Einsatzfahrzeuge müssen diesem hohen Standard gerecht werden. Im Rahmen der Beschaffung von BOS-Fahrzeugen passiert es häufig, dass aufgrund der Komplexität des Vergaberechts die Anforderungen an das zu beschaffende BOS-Fahrzeug nicht ausreichend berücksichtigt werden. Nachfolgend wollen wir die Wichtigkeit der Anforderungsdefinition im Zuge der Ausschreibung von BOS-Fahrzeugen verdeutlichen und die zentralen Handlungsoptionen aufzeigen.
Vorbereitung für das Beschaffungsvorhaben
Der Ausgangspunkt für die Ausschreibung eines BOS-Fahrzeuges ist eine gewissenhafte Vorbereitung. Dazu gehört die Definition eines Anforderungsprofils für das Einsatzfahrzeug. Welche technische und taktische Zielstellung soll das Fahrzeug unterstützen und fördern?
Übergeordnet gilt hier das Prinzip „Technik folgt Taktik“. Um das Anforderungsprofil praxisnah und zielführend auszugestalten, empfehlen wir die Durchführung gemeinsamer Workshops im Rahmen der Bedarfsanalyse. Zwischen den Verantwortlichen seitens des Bedarfsträgers, den Vertretern der Einsatzkräfte aus den Fachbereichen, der Vergabestelle und ggf. externen Beratern aus dem BOS-Umfeld sollte möglichst ein Konsens über die Anforderungen der Beschaffung entstehen. Im Zuge dieser Workshops werden auch spezielle Ausstattungen sowie Technik für Sonderaufgaben an die Anforderungen der Einsatzfahrzeuge gemeinsam definiert und priorisiert. Dies hat stets unter Berücksichtigung des geltenden Vergaberechts zu erfolgen.
Im Rahmen einer Gefahren- und Risikoanalyse werden die räumlichen und Gefährdungspotenzial abhängigen Gegebenheiten des Bedarfsträgers erhoben und die Erkenntnisse daraus als Schutzziele definiert. Aus diesen Schutzzielen sollten wiederum sogenannte Gefahrenabwehrbedarfspläne entstehen, die die taktischen Anforderungen an die Einsatztechnik beschreiben. Diese Vorgehensweise wird in der Praxis meistens nicht genau voneinander getrennt, was eine unscharfe Beschreibung der benötigten Einsatzfahrzeuge nach sich zieht. Die Folge daraus wiederum ist ein erhöhtes Risiko für eine unkonkrete Vorstellung der Beschaffungsanforderungen von Einsatzfahrzeugen.
Wichtiger Bestandteil einer umfassenden Vorbereitung auf eine bevorstehende Ausschreibung ist die Durchführung einer Marktanalyse. Im Zuge dessen erhält man Antworten auf Fragen in Bezug auf das Anforderungsprofil und zu den damit verbundenen Kosten direkt von Experten bzw. potenziellen Bietern. Durch diese Informationen können dann auch Haushaltsmittel, die bei Ausschreibungen im öffentlich-rechtlichen Umfeld rechtzeitig angemeldet werden müssen, bewilligt und bereitgestellt werden. Erst dann sind die Grundlagen für die Ausgestaltung einer konkreten Ausschreibungs- bzw. Vergabestrategie geschaffen.
Beschaffungsgrundsätze und Vergabeverfahren
BOS-Fahrzeuge sind im Wettbewerb mittels eines transparenten Vergabeverfahrens auszuschreiben. Dabei dürfen Marktakteure nicht diskriminiert oder durch unlautere Verhaltensweisen benachteiligt werden. Es gilt der vergaberechtliche Grundsatz, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot unter Berücksichtigung der Kriterien, die sich aus der Ausführung des Vertrags ergeben, erteilt wird (vgl. § 127 Abs. 1 GWB).
Essenzielle Bestandteile der Ausschreibung bilden die Leistungsbeschreibung und das Leistungsverzeichnis. Dort wird genau definiert, was für ein Fahrzeug unter welchen Rahmenbedingungen (z. B. Stellplatz DIN-Norm in Fahrzeughallen) und mit welcher Ausstattung ausgeschrieben wird. Je eindeutiger und detaillierter hier gearbeitet wird, desto einfacher wird die Ausschreibung und die spätere Leistungsausführung. Dabei ist jedoch auf die Produktneutralität zu achten. Schwierigkeiten hinsichtlich der Produktneutralität und der Anforderungsspezifizierung können sich insbesondere bei fördermittelbasierten Beschaffungsvorhaben auf Landesebene ergeben, da hier das Förderziel und nicht der Individualbedarf im Vordergrund steht (z. B. baugleiche Beschaffung von 20 Tanklöschfahrzeugen für die Gefahrenabwehr von Vegetationsbränden, Beschaffung von sechs E-Nutzfahrzeugen für die Polizei und 18 Wallboxen zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms 2030 und der darin formulierten Ziele und Maßnahmen). Um ein bestimmtes Förderziel zu erreichen, erhält der Zuwendungsempfänger gemäß seinem Antrag den Förderbetrag. Klassischerweise ist ein solches Beschaffungsvorhaben zwar aufgrund der „Abnahmemenge“ kostengünstiger, aber nicht immer auf die individuellen Einsatzbereiche zugeschnitten. Wohingegen bei nicht geförderten Beschaffungsvorhaben i. d. R. Bedarfsträger-abhängig selbst beschafft werden kann und alle individuellen Anforderungen Berücksichtigung finden können.
Die Durchführung einer Ausschreibung zur Beschaffung eines BOS-Fahrzeuges ist sehr komplex und erfordert sowohl technische Kenntnisse als auch vergaberechtliches Know-how zur Durchführung des entsprechenden Verfahrens. Einen Überblick zu den Gründen, weshalb es gut überlegt sein muss, Einsatzfahrzeuge in Gänze auszuschreiben und was zu einer Gesamtvergabe berechtigt, liefert Ihnen der folgende Abschnitt.
Gesamtvergabe muss begründet werden
Für alle Beschaffungen basierend auf dem Vergaberecht gilt der Grundsatz, dass Leistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben sind (vgl. § 97 Abs. 4 GWB). Demnach ist beispielsweise ein Feuerwehrfahrzeug in der Regel in drei Losen auszuschreiben: das Fahrgestell, die Aufbauten sowie die Ausstattung. Von der losweisen Aufteilung kann gem. § 97 Abs. 4 S. 3 GWB nur abgesehen werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Hat der öffentliche Auftraggeber den Wunsch sein Fahrzeug nicht nach dem „Baukastenprinzip“ – also losweise zu beschaffen – so ist hierfür eine geeignete Begründung zur Gesamtvergabe zu formulieren. Gründe, wie ein kurzer Beschaffungszeitraum, nicht vorhandene Kompetenz oder Unwissenheit hat die Rechtsprechung abgelehnt (siehe hierzu VGH Bayern, Urt. V. 22.05.2017, Az.: 4 ZB 16.577). Ein erhöhter (kostenintensiver) Koordinierungsaufwand bei der Beschaffung wurde ebenfalls als nicht ausreichender Grund abgelehnt.
Die Erwägungsgründe für eine Gesamtvergabe sind im Vergabevermerk festzuhalten, wobei ersichtlich werden muss, dass sich der öffentliche Auftraggeber im konkreten Einzelfall mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und den dagegensprechenden Gründen auseinandergesetzt hat. Dabei ist eine Abwägung vorzunehmen. Im Ergebnis müssen die Gründe überwiegen, die für eine Gesamtvergabe sprechen. Zweckmäßig ist dabei eine Gegenüberstellung der relevanten wirtschaftlichen und/oder technischen Implikationen der jeweiligen Alternativen, um die Vorteile, die sich aus einer Gesamtvergabe für den konkreten Fall ergebenden, nachprüfbar zu dokumentieren. Entscheidende wirtschaftliche und technische Vorteile müssen aufgezeigt werden. Erwartet der öffentliche Auftraggeber durch die Losaufteilung Mehraufwand, der deutlich über das typische Maß hinaus geht, können diese Überlegungen Berücksichtigung finden, wenn damit entscheidende wirtschaftliche Folgen verbunden sind. Eine auf einer Prognose beruhende Entscheidung wird durch die Vergabenachprüfungsinstanzen als zulässiger Beurteilungsspielraum der öffentlichen Auftraggeber angesehen. Einer gerichtlichen Überprüfung unterliegt im Wesentlichen nur, ob die Entscheidung des Auftraggebers auf einer vollständigen und wahrheitstreuen Sachverhaltsermittlung beruht und die Entscheidung nicht willkürlich und im Ergebnis vertretbar ist.
So kann beispielweise für die Gesamtvergabe bei der Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen auf den technischen Mehraufwand und Besonderheiten beim Fahrzeugunterhalt im Falle verschiedener Lose abgestellt werden. Hierbei sind die Bemessung des Fahrgestells in Verbindung mit den prüffähigen Achslasten und den verschiedenen Aufbauten, sowie der Ausstattung des Feuerwehrfahrzeugs relevant. Insbesondere aber die elektronischen Schnittstellen der verschiedenen Teile sind tatsächlich im Erhalt des Fahrgestells und der Gewährleistung kaum skalierbar.
„Der aktuelle Stand der Technik wird bei bestimmten Fahrgestell-Herstellern nur gewährleistet, soweit der „Kofferaufbau“ mit ausgewählten Partnern (Firmen) vollzogen wird, da über Jahrzehnte der Zusammenarbeit gemeinsame technische Feinheiten entstanden, die einen großen Vorteil gegenüber Mitbewerbern bieten.“ – Jann Zepke
Praxistipp
Die sorgfältige Vorbereitung einer Ausschreibung von BOS-Fahrzeugen ist unerlässlich! Das Vergaberecht ermöglicht eine wirtschaftliche Leistungsbeschaffung und eröffnet im Zuge dessen Möglichkeiten, den Auftrag im konkreten Einzelfall so zuzuschneiden, dass den technischen Bedürfnissen entsprochen wird und zudem die wirtschaftliche Verhältnismäßigkeit gewahrt wird.
Gerne unterstützt Valora Consulting Sie bei Ihrem Beschaffungsvorhaben rund um BOS-Fahrzeuge. Wir kümmern uns um den kompletten Beschaffungsvorgang inklusive Verwendungsnachweis (bei fördermittelbasierten Vorhaben) und unterstützen Sie bei der anschließenden Baubegleitung des Fahrzeugs sowie der Abnahme, um Abweichungen von der Leistungsbeschreibung rechtzeitig zu erkennen.
Der Blogbeitrag wurde erstellt von Jann Zepke (Consultant, Leiter Competence Center BOS, ehrenamtlicher Feuerwehrmann) sowie Anna Zoller (Vergabeberaterin).