Können Drittstaaten uneingeschränkt auf die EU-Vergabeverfahren zugreifen? Mit dieser Frage hat sich am 13.03.2025 der Europäische Gerichtshof auseinandergesetzt (Rs. C266/22)
Der Europäische Gerichtshof hat in diesem Urteil seine bisherige Linie zum Zugang von Bietern aus Drittstaaten zu öffentlichen Ausschreibungen in der Europäischen Union konsequent weiterverfolgt, denn bereits im Oktober 2024 (Rs. C-652/22) hatte der EuGH entschieden, dass Unternehmen aus Drittstaaten ohne ein entsprechendes Abkommen mit der EU keinen Anspruch auf Teilnahme an EU-weiten Vergabeverfahren haben. Damals betraf die Entscheidung die Sektorenrichtlinie (2014/25/EU).
Mit dem neuen Urteil stellt der EuGH nun klar, dass diese Einschränkungen auch auf Vergaben nach der klassischen Vergaberichtlinie (2014/24/EU) Anwendung finden. Gleiches gilt für die Konzessionsrichtlinie (2014/23/EU) sowie für Vergaben im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich (Richtlinie 2009/81/EG).
Kein Alleingang der Mitgliedstaaten möglich
Nach Auffassung des Gerichts liegt die Zuständigkeit für den Abschluss entsprechender Marktöffnungsabkommen ausschließlich bei der EU. Mitgliedstaaten dürfen daher nicht eigenständig Drittstaaten einen Zugang zu ihren Vergabemärkten gewähren – eine klare Bestätigung der handelspolitischen Kompetenz der Union.
Auch Bietergemeinschaften können betroffen sein
Der EuGH bezieht in seine Entscheidung ausdrücklich auch Bietergemeinschaften ein: Enthält ein Zusammenschluss von Unternehmen ein Mitglied aus einem Drittstaat ohne Abkommen mit der EU, kann die gesamte Bietergemeinschaft vom Verfahren ausgeschlossen werden.
Ermessensspielraum der Vergabestellen – aber keine Klagerechte
Zwar haben öffentliche Auftraggeber grundsätzlich die Möglichkeit, Drittstaaten-Bieter oder entsprechende Bietergemeinschaften freiwillig zuzulassen. Im Falle einer Zulassung dürfen sie diesen Bietern sogar dieselben Rechte einräumen wie EU-Unternehmen. Ein durchsetzbarer Anspruch auf Teilnahme oder Gleichbehandlung besteht für diese Bieter jedoch nicht. Auch die unionsrechtlichen Rechtsschutzinstrumente – insbesondere aus den EU-Vergaberichtlinien – stehen ihnen nicht zur Verfügung.
Der Rechtsweg bleibt dennoch offen: Drittstaaten-Bieter können sich an die nationalen Gerichte wenden. Dort besteht insbesondere die Möglichkeit, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen vorläufigen Zuschlagsstopp zu beantragen.
Unsere Einschätzung:
Für öffentliche Auftraggeber bedeutet die Entscheidung mehr rechtliche Klarheit im Umgang mit Drittstaaten-Bietern. Gleichzeitig ist bei der Bewertung von Bietergemeinschaften künftig besondere Sorgfalt geboten. Wir unterstützen Sie gerne bei der rechtssicheren Gestaltung und Durchführung Ihrer Vergabeverfahren.
Dieser Beitrag wurde von Sophie Möller (Vergabeberaterin) erstellt.
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