Funktionale Ausschreibung: Auftraggeber muss keine „Lösungsskizze“ vorgeben

Ein öffentlicher Auftraggeber schreibt europaweit Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen aus. Um die Angebote gleich bewerten zu können, wird die Bewertungsmatrix bekannt gemacht. Unter anderem sollten vorzulegende Konzepte bewertet werden:

„0 Punkte: Das Leistungsangebot des Bieters entspricht nicht den Anforderungen,
1 Punkt: Das Leistungsangebot des Bieters entspricht mit Einschränkungen den Anforderungen,
2 Punkte: Das Leistungsangebot des Bieters entspricht den Anforderungen,
3 Punkte: Das Leistungsangebot des Bieters ist der Zielerreichung in besonderer Weise dienlich.“

Zur Bewertung mit 3 Punkten enthalten die Wertungshinweise die zusätzliche Erläuterung, dass hierzu „die Konzeption der Zielerreichung in besondere Weise (z. B. kreative Ideen) dienlich ist und dies in der Konzeption inhaltlich schlüssig dargestellt ist. Im „Wertungsschema“ hat die Ag die einzelnen Wertungskriterien näher erläutert und in einer Anlage Wertungshinweise angegeben, unter welchen Voraussetzungen ein Konzept in den einzelnen Wertungskriterien 0, 1, 2 oder 3 Punkte erhält.“

Gegen diese Art der Bewertung richtet sich der letztlich unbegründete Nachprüfungsantrag. Nach Ansicht des Ast. sei die Wertungsmatrix intransparent; die Bieter wüssten nicht, wie ein Angebot ausgearbeitet werden müsse, um eine möglichst gute Bewertung zu erzielen. Dies sieht die Vergabekammer des Bundes anders (Beschluss vom 18.07.2016, VK 1-48/16): „Der Transparenzgrundsatz verlangt i. V. m. dem Gleichbehandlungsgebot […] u. a., dass ein öffentlicher Auftraggeber die Angebote anhand eines einheitlichen Maßstabs bewertet und dass die Bieter wissen, worauf es dem öffentlichen Auftraggeber bei der Wertung der Angebote ankommt, damit sie ein qualitativ optimales Angebot einreichen können[…]. Bei den ausgeschriebenen Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen handelt es sich nicht um solche, für die sich bereits „das“ optimale Leistungsmodell herausgebildet hat, das das […] vorgesehene Leistungsziel, […], bestmöglich erreicht. Vielmehr kann es hierzu unterschiedliche Ansätze und Konzepte geben, die sich aufgrund aktueller Erkenntnisse und Entwicklungen durchaus ändern oder erweitern können. Um das für die Zielerreichung optimale Konzept bezuschlagen zu können, will sich die Ag […] u.a. die eigenen Erfahrungen und Ideen der Bieter zunutze machen. Dafür benötigt sie Zuschlagskriterien, die ihr einerseits Wertungsspielräume für die Würdigung besonders kreativer Konzepte ermöglichen, andererseits aber auch dem Interesse der Bieter gerecht werden, dass ihren Ideen durch hinreichende Vorgaben für eine entsprechende Punktevergabe in der Bewertungsmatrix Rechnung getragen wird, ohne ihnen gleichzeitig die Möglichkeit zur Entwicklung eigener Ideen abzuschneiden.“

Fazit: Bei funktionalen Leistungen ist durch den AN die verlangte Funktion sicherzustellen. Der Weg dorthin, wie kreativ oder „umständlich“ die Funktion durch den AN letztlich erreicht wird, unterliegt einer Bewertung, deren Bewertungsmaßstab bekannt zu geben ist.

Robby Semmling, der Autor des Blogs, ist Rechtsanwalt und seit mehreren Jahren spezialisiert auf Themen rund um Vergabeverfahren. An dieser Stelle bloggt er regelmäßig zu Problemstellungen aus seinem Arbeitsalltag.