Abgabe des Angebotes nur auf Basis einer ggf. geänderten Leistungsbeschreibung vergaberechtskonform

Die Entscheidung der VK Thüringen (Beschluss vom 14.07.2017, 250-4002-5969/2017-N-007-EIC) ist in vielerlei Hinsicht sowohl für Bieter als auch für ausschreibende Stellen interessant.

In dem dem Sachverhalt zugrundeliegenden Vergabeverfahren wurden fehlende Mengenangaben in der Leistungsbeschreibung auf Grund von Bieterfragen per E-Mail ergänzt. Eine Bitte an die Bewerber, den Erhalt der E-Mail gegenüber dem Auftraggeber zu bestätigen, enthielt die E-Mail nicht. Bis auf den Beschwerdeführer haben die Bieter, die ein Angebot abgegeben haben, die korrigierte Mengenangabe im Angebot berücksichtigt. Die vorgenannte E-Mail habe der Bieter nach eigenen Angaben nicht erhalten. Das Angebot wurde nicht berücksichtigt, wogegen schlussendlich ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet wurde, welches erfolgreich war.

Laut VK Thüringen muss die ausschreibende Stelle „… eindeutige Vergabeunterlagen […] erstellen, damit die Bewerber in die Lage versetzt sind, miteinander vergleichbare, wertungsfähige Angebote zu erstellen. Die Vergabeunterlagen sind den Bewerbern in einer einheitlichen Fassung zu versenden.“ Von der Leistungsbeschreibung abweichende Angebote sind auszuschließen, da dies eine Änderung der Vergabeunterlage darstellt und dies unzulässig ist. „Eine unzulässige Änderung liegt auch dann vor, wenn durch einen Auftraggeber nach der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots Ergänzungen oder Korrekturen der Leistungsbeschreibung vorgenommen bzw. sachdienliche Auskünfte erteilt, diese aber von einem Bieter in seinem Angebot nicht berücksichtigt werden. […]

Eine vom Auftraggeber für verbindlich erklärte, nachträglich korrigierte Leistungsbeschreibung ist die Grundlage für die Erarbeitung der Angebote. Ein Bewerber, der sein Angebot auf Grundlage der ursprünglichen Fassung der Leistungsbeschreibung erstellt, weicht damit von der nunmehr für verbindlich erklärten Fassung ab. Dies ist einer Änderung an den Vergabeunterlagen gleichzusetzen.“

Im konkreten Fall konnte die ausschreibende Stelle aber nicht belegen, dass insbesondere der Beschwerdeführer die entsprechende E-Mail erhalten hat. Der Sendenachweis der E-Mail ist hierfür nicht ausreichend. „Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg führt hinsichtlich des Nachweises des Zugangs einer E-Mail beim Empfänger folgendes aus: „Ein Ausdruck der E-Mail ohne Eingangs- oder Lesebestätigung reicht für den Anscheinsbeweis nicht aus (AG Bremen 15.04.2009 – 23 C 494/06). Ein Beweis des ersten Anscheins für den Eingang in die Mailbox des Empfängers ergibt sich auch nicht bereits dann, wenn der Erklärende die Absendung der E-Mail beweisen kann (OLG Köln, 05.12.2006 – 3 U 167/05).“ (LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.11.2012 – 15 Ta 2066/12).“ Insofern geht das Risiko, dass die E-Mail den Empfänger nicht erreicht hat, zu Lasten der ausschreibenden Stelle. Aus diesem Grund ist das Verfahren rechtswidrig und war aufzuheben.

Fazit: Die ausschreibende Stelle muss den Nachweis führen können, dass relevante Informationen die Bieter tatsächlich erreicht haben. Ansonsten trägt sie das Risiko der Beweislosigkeit bei der (ggf. auch falschen) Behauptung von Bietern, die Informationen nicht erhalten zu haben.

Robby Semmling, der Autor des Blogs, ist Rechtsanwalt und seit mehreren Jahren spezialisiert auf Themen rund um Vergabeverfahren. An dieser Stelle bloggt er regelmäßig zu Problemstellungen aus seinem Arbeitsalltag.