Inflation und Vergabeverfahren – Preisgleitklauseln als absolute Lösung?

Sollten Sie nicht gerade ein Glaskugelbesitzer mit außergewöhnlichen Fähigkeiten sein, dann könnte Sie die durch die Pandemie entstandene wirtschaftliche Unsicherheit momentan beunruhigen. Allerdings haben wir aus der letzten Wirtschaftskrise 2008 gelernt, dass auch viele professionelle Wirtschaftsexperten sowie Glaskugelbesitzer sich ordentlich irren können.

Aber wie kann man sich auf eine solche undurchsichtige Zeit vorbereiten? Mit guten Verträgen!

Ein Zauberwort, welches viel zu selten in Verträgen der öffentlichen Auftraggeber auftaucht, ist die Preisgleitklausel. Dies liegt Vorallem daran, dass der öffentliche Auftraggeber eigentlich daran gehalten ist Festpreise auszumachen und auch bei absehbaren steigenden Rohstoffpreisen oder auch offensichtlich kommender Inflation keine Verpflichtung dazu besteht. Böse Stimmen munkeln zudem, dass viele Sachbearbeiter allein durch den Begriff in Panik verfallen, da man sich gerade über die passende Berechnung stundenlang streiten kann.

Was ist eine Preisgleitklausel?

Eine Preisgleitklausel ist eine Wertsicherungsklausel, mit der sich z. B. der Lieferant das Recht vorbehält, bei Erhöhung seiner Selbstkosten den Preis einer Ware anzupassen.

Sie tragen dem Umstand Rechnung, dass sich die Preise für eine Ware oder eine Dienstleistung zwischen dem Abschluss der Rahmenvereinbarung und dem Einzelabruf der Leistung erheblich verändern können. Dies kann z.B. durch Änderungen der Versteuerung oder durch wirtschaftliche Schwankungen zustande kommen.

Preisgleitklauseln kann man jedoch auch in praktisch jedem anderen Vertragstyp finden, wie z.B. auch in Mietverträgen oder gemischten Verträgen.

Um diesen spontanen Entwicklungen gerecht zu werden, kann es für den Auftraggeber sinnvoll sein, den von ihm zu zahlenden Preis in der Rahmenvereinbarung nicht abschließend festzulegen, sondern einer gewissen Flexibilität zu unterwerfen. Andererseits kommt diese Flexibilität auch den Auftragnehmern zugute, da sie das Kalkulationsrisiko, das mit langfristigen Rahmenverträgen notwendigerweise einhergeht, für diese minimiert. Dadurch kann man auch im Ausschreibungsverfahren „unruhige“ Bewerber motivieren ein Angebot abzugeben.

Wie kann eine Preisgleitklausel aussehen?

Man unterscheidet zwischen definierter und unbestimmten Preisgleitklauseln.

Die unbestimmte Preisgleitklausel wird regelmäßig unwirksam sein.

Ein schlechtes Beispiel ist hier zum Beispiel folgende Formulierung: „Sollte es während der Vertragslaufzeit zu Lohn- oder Materialkostenänderungen kommen, sind wir berechtigt, die Preise anzupassen.”. Hier ist das Risiko nicht kalkulierbar und die Formulierung ist aus zahlreichen Gründen nicht vergaberechtskonform. Zusätzlich ist fraglich, ob die Preisanpassung gemäß § 132 GWB überhaupt möglich sein wird.

Eine bestimmte Preisgleitklausel zeichnet sich dadurch aus, dass sie viel mehr Details berücksichtigt und somit auch das Risiko kalkulierbar macht. Es wird dafür eine passende Preisgleitformel aufgestellt.

Beispiel für eine definierte Preisgleitformel:

               P = P0 (a + b*Lm/L0 + c*Mm/M0)

* P = Preis zum Zeitpunkt der vereinbarten Lieferung
* P0 = Preis bei Bestellung
* L0 = Lohnindex bei Bestellung
* Lm = Lohnindex z. B. 3 Monate vor vereinbarter Lieferung
* M0 = Materialindex bei Bestellung
* Mm = Materialindex z. B. 3 Monate vor vereinbarter Lieferung

Es geht jedoch auch noch leichter; es kann auch auf Preisindexe abgestellt werden: „Ändert sich der von dem Statistischen Bundesamt veröffentlichte Verbraucherpreisindex für Deutschland (Basis 2020 = 100) gegenüber dem für den Monat des Mietbeginns um mindestens 10 % (oder Punkte), so ändert sich automatisch der Mietzins im gleichen Verhältnis, und zwar von Beginn des nächsten Monats an. Das gleiche gilt erneut, sobald sich der Index gegenüber seinem Stand zum Zeitpunkt der vorangegangenen Mietanpassung wieder um mehr als volle 10 % (oder Punkte) verändert hat.”

Ist eine Preisgleitklausel verpflichtend?

Eine Verpflichtung in Ausschreibungen Preisgleitklauseln zu integrieren, besteht nicht. Dies gilt gerade auch im Hinblick auf rapide steigende Rohstoffpreise. Allenfalls bei besonders langen Vertragslaufzeiten kann dies anders zu beurteilen sein. Zudem ist zu beachten, dass Preisgleitklauseln wegen der damit verbundenen Inflationsgefahr regelmäßig auch intern genehmigt werden müssen.

Zusätzlich ist zu beachten, dass lange Vertragslaufzeiten regelmäßig nicht vergaberechtskonform sind, da der Wettbewerb zu sehr eingeschränkt wird (so auch VK Bund zu unbefristeten Verträgen; Beschl. v. 8. April 2015, Az. VK 2-21/15, v. 9. April 2015, Az. VK 2-19/15 und v. 16. April 2015, Az.: VK 2-27/15)).

Der Blogbeitrag wurde erstellt von unseren Mitarbeitern Jutta Pertenais (Rechtsanwältin) und Jann Zepke (Consultant).