Die Vergabestellen sind des Öfteren mit ungewöhnlich niedrigen Angeboten konfrontiert. Gemäß § 60 VgV, § 44 UVgO sowie entsprechenden Vorschriften der Landesgesetze, besteht eine Pflicht der Vergabestellen, die ungewöhnlich niedrige Angebote aufzuklären. Auch die Bieter werden oftmals mit einem Schreiben der Vergabestelle, mit dem diese Auskünfte zu deren Kalkulationen verlangt, überrascht. Dabei handelt es sich um ein zulässiges und sogar gebotenes Instrument der Angebotsprüfung. Die Vergabestellen sind nichtsdestotrotz an die o.g. Vorschriften des Vergaberechts gebunden. Die Bieter können deren Verletzung vergaberechtlich überprüfen lassen.
Welche Angebote als ungewöhnlich niedrig zu behandeln sind, wird von den Gerichten unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird die Schwelle schon bei 10% der Abweichung zum nächsthöheren Angebot angesetzt. Spätestens aber bei einer Preisabweichung von 20% wird eine Preisprüfung der Vergabestelle notwendig werden. Sollte der Preisunterschied darunter liegen, kommt es nach Ansicht der VK Bremen (Beschl. v. 07.06.2019 – 16-VK 5/19) darauf an, ob ein Missverhältnis von Preis und Leistung anzunehmen ist. Hierbei sollten alle Umstände des Einzelfalls in die Erwägungen einbezogen werden. Ein gewichtiges Indiz dafür ist insbesondere eine sorgfältig erstellte Auftragswertschätzung des öffentlichen Auftraggebers. Die Quersumme aller Angebote kann nach Ansicht der Vergabekammer jedoch nicht als Maßstab herangezogen werden, da es für einen solchen Anknüpfungspunkt die gesetzliche Grundlage fehlt. In dem von der VK Bremen entschiedenen Fall befand diese einen Preisabstand von 18% zwischen dem erst- und dem zweitplatzierten Angebot an sich, für eine Prüfungspflicht der Vergabestelle, nicht ausreichend, da die Abweichung von der Kostenschätzung lediglich 5% betrug.
Tritt die Vergabestelle in die Auskömmlichkeitsprüfung ein, so muss sie diese nachvollziehbar und sachgerecht durchführen. Insbesondere muss sie sich aufgrund der Darstellungen des betroffenen Bieters davon überzeugen, dass dieser in der Lage ist, die ausgeschriebene Leistung ordnungsgemäß zu erbringen. Die unterlegenen Bieter können die unterlassene oder fehlerhafte Prüfung, in Wege eines Nachprüfungsverfahrens, anzweifeln. Jedoch beschränkt sich in diesem Fall der Prüfungsumfang der Vergabekammer eben auf die Nachvollziehbarkeit und Sachgerechtigkeit der Preisprüfung (VK Nordbayern, Beschl. v. 14.03.2019 – RMF-SG 21-3194-4-5). Eine Preisprüfung anstatt des öffentlichen Auftraggebers nimmt die Vergabekammer nicht vor.
Jutta Pertenais, die Autorin des Blogs, ist Rechtsanwältin und seit mehreren Jahren spezialisiert auf Themen rund um Vergabeverfahren und IT-Recht. An dieser Stelle bloggt sie regelmäßig zu Problemstellungen aus ihrem Arbeitsalltag.