Am 18.01.2023 fand der erste Termin der monatlichen Online-Veranstaltungsreihe „Vergabe-Mittwoch“ statt: ein gelungenes Debüt! Dabei ging es um die Besonderheiten des Verhandlungsverfahrens. Gerne laden wir Sie auch zum nächsten Termin am 15. Februar um 10.00 Uhr ein und freuen uns auf eine rege Diskussion.
Dies nehmen wir nun zum Anlass, auch allen, die nicht dabei sein konnten, einen kurzen Überblick über das Verhandlungsverfahren zu verschaffen.
Warum das Verhandlungsverfahren wählen?
Das Verhandlungsverfahren eröffnet sowohl Auftraggebern als auch Bietern einen weiten Gestaltungsspielraum, von dem sie umfassend profitieren können.
Während beim offenen und beim nicht offenen Verfahren gemäß § 15 Abs. 5, 16 Abs. 9 VgV ein striktes Verhandlungsverbot besteht, kann beim Verhandlungsverfahren über den gesamten Angebotsinhalt verhandelt werden. Gegenstand der Verhandlungen dürfen der Leistungsgegenstand, die Preise und die Vertragsinhalte sein. Eine Ausnahme davon sind die in den Vergabeunterlagen festgelegten Mindestvoraussetzungen und Zuschlagskriterien.
Grundsätzlich wird also kein Zuschlag auf das indikative Erstangebot erteilt. Im Rahmen der Verhandlungsrunden wird der Angebotsinhalt angepasst und verbessert, so dass die Qualität der Angebote deutlich steigt.
Des Weiteren bietet sich das Verhandlungsverfahren an, wenn die Leistungsbeschreibung nicht vollständig beschrieben werden kann. Der Inhalt der sogenannten funktionalen Leistungsbeschreibung kann auch verhandelt werden. Hier bietet sich für den Auftraggeber die Möglichkeit das Know-How der Bieter anzuzapfen, um den Leistungsgegenstand zu „schärfen“ und an seine Bedürfnisse anzupassen. Eine gründliche Marktrecherche muss dennoch im Vorfeld erfolgen!
Ist das Verhandlungsverfahren die richtige Vergabeart?
Aufgrund des Vorrangs des offenen und nicht offenen Verfahrens ist das Verhandlungsverfahren nicht der Regelfall. Das Verhandlungsverfahren ist gemäß § 14 Abs. 3 Nr. 1 – 5 VgV nur beim Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen zulässig. Der häufigste Anwendungsfall für das Verfahren ist, wenn die Leistung nicht genau beschrieben werden kann. Also wenn zum Beispiel eine funktionale Leistungsbeschreibung notwendig ist. Das Verfahren kann aber auch zulässig sein, wenn konzeptionelle oder innovative Lösungen erforderlich sind. In seltenen Fällen kann das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt werden, zum Beispiel bei Vorliegen einer Dringlichkeit (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV). Die Gründe für die Wahl des Verhandlungsverfahrens muss der Auftraggeber dokumentieren.
Wie läuft das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb ab?
Je nach Auftragsgegenstand, kann es sich anbieten eine Markterkundung durchzuführen. Das eigentliche Verfahren beginnt, wie bei dem offenen Verfahren – mit der Auftragsbekanntmachung. Empfehlenswert ist, dass alle Unterlagen vollständig veröffentlicht werden, auch wenn sie für den Teilnahmewettbewerb nicht erforderlich sind. Dazu zählen die Leistungsbeschreibung, die Bewerbungsbedingungen, die Bewertungsmatrix, das Preisblatt sowie die Verträge. Damit werden die Unternehmen schon im Vorfeld über alle ausschreibungsrelevanten Aspekte informiert und können entscheiden, ob sie wirklich Interesse an dem Auftrag haben.
Nach der Bekanntmachung erfolgt der Teilnahmewettbewerb mit einer unbeschränkten Anzahl an Bewerbern. Hier wird die Eignung der Bewerber zur Erfüllung des Auftrages geprüft. Nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs, werden die ausgewählten Bieter aufgefordert, ein Erstangebot abzugeben. Sollte der Auftraggeber mit einer hohen Bieteranzahl rechnen, kann er in den Vergabeunterlagen eine Abstufungsregelung aufnehmen (vgl. § 51 VgV). Zum Beispiel kann er festlegen, dass nur die besten 8 Teilnehmer zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert werden. Über die eingegangenen Angebote kann anschließend verhandelt werden. Auch hier kann der Auftraggeber in die Bewerbungsbedingungen aufnehmen, dass nur mit den besten 3 Bietern überhaupt verhandelt wird.
Nachdem die Verhandlungsrunden abgeschlossen sind, müssen die Bieter zum finalen Angebot aufgefordert werden. Dabei ist der Grundsatz der Identität des Beschaffungsvorhabens zu beachten. Der Auftragsgegenstand darf sich nicht wesentlich ändern (vgl. § 132 GWB) Nach Abgabe des finalen Angebotes erhält das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag.
Abschließend wollen wir auf die Möglichkeit hinweisen, dass bereits das Erstangebot ohne Verhandlung bezuschlagt werden kann. Dies muss zuvor in den Vergabeunterlagen aufgeführt werden. Diese Vorgehensweise bietet sich an, wenn der Auftraggeber nicht sicher ist, ob die Erstangebote nicht bereits eine ausreichende Qualität liefern werden. Somit kann er sich die Option der Verhandlung nur offenhalten.
Mit guter Vorbereitung, Planung und Dokumentation sollte dem Erfolg des Verhandlungsverfahrens nichts entgegenstehen.
Für weitere Informationen oder bei Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Zögern Sie nicht, sich mit uns in Verbindung zu setzen.
Dieser Beitrag wurde von Anna Lazarova (Vergabejuristin) erstellt.