Verstoß gegen DIN-Normen führt auch ohne Schadenseintritt zum Mangel

Heute stelle ich Ihnen eine Entscheidung vor, die primär die Phase der Leistungserbringung nach Beauftragung (Zuschlag) betrifft. Gleichwohl sollte die Entscheidung bereits im Vergabeverfahren berücksichtigt werden.

Das OLG Köln hatte sich im Verfahren Az. 16 U 63/15 mit der Frage zu befassen, ob die Nichtbeachtung anerkannter Regeln der Technik (insb. DIN-Vorschriften) bei einem Bauvorhaben einen Mangel in der Leistungserbringung darstellt. Der Auftragnehmer hat u. a. Baumaterialien eingesetzt, die ungeeignet waren bzw. nicht die bauaufsichtliche Zulassung besaßen. Der im Verfahren beauftragte Gutachter stellte auch fest, dass zum Teil die Baumaterialien nicht den vorgeschriebenen DIN-Vorschriften entsprachen und keine Einzelzulassung besaßen. Dies trug u. a. dazu bei, dass eine bauordnungsrechtliche Genehmigung für das Bauwerk nicht erteilt werden konnte.

Im Urteil vom 16.03.2016 erklärt das OLG: „Ist nichts anderes vereinbart, sichert der Unternehmer in der Regel stillschweigend die Beachtung der anerkannten Regeln seines Fachs zu, wie sie unter anderem in DIN-Normen, Unfallverhütungsvorschriften etc. niedergelegt sein können. Ein Verstoß hiergegen ist dann auch ohne Schadenseintritt ein Mangel, sofern der Unternehmer keine ihm günstige abweichende Vereinbarung beweist.“

Welche Bedeutung hat dieses Urteil? Einerseits kann sich der Auftragnehmer grundsätzlich nicht darauf berufen, dass der Auftraggeber ggf. keine oder nicht alle anerkannten Regeln der Technik in den Vergabeunterlagen benannt hat. Anderslautende Vereinbarungen muss er beweisen.

Der Auftragnehmer schuldet also immer eine Leistungserbringung unter Beachtung und Anwendung der für die Leistung geltenden anerkannten Regeln der Technik. Der Auftraggeber muss m. E. nicht dafür Sorge tragen, in der Ausschreibung alle zugrunde zu legenden Regeln der Technik aufzulisten. Hierzu wird er auch nur schwer in der Lage sein, da er i. d. R. nicht die speziellen Fachkenntnisse besitzt.

Fazit: Den Bietern muss klar sein, dass sie generell verpflichtet sind, Leistungen unter Beachtung der hierfür geltenden anerkannten Regeln der Technik zu erbringen. Auf Grund ihrer Fachkenntnis müssen sie den Auftraggeber auf ggf. fehlerhafte Festlegungen hinweisen, um sich ggf. vom Vorwurf der Nichtbeachtung der anerkannten Regeln der Technik präkludieren zu können. Auftraggeber sollten in den Vergabeunterlagen vermerken, dass sich die Bieter mit der Abgabe des Angebotes verpflichten, bei der Leistungserbringung alle für die Leistungserbringung geltenden anerkannten Regeln der Technik zu beachten. Somit kommt der Wille der ausschreibenden Stelle für den Bieter klar zum Ausdruck und er kann sich damit nicht mehr auf ein anderes „Verständnis“ der Vergabeunterlage berufen. Möglicherweise ist die Nutzung einer entsprechenden Eigenerklärung hilfreich.

Robby Semmling, der Autor des Blogs, ist Rechtsanwalt und seit mehreren Jahren spezialisiert auf Themen rund um Vergabeverfahren. An dieser Stelle bloggt er regelmäßig zu Problemstellungen aus seinem Arbeitsalltag.